Das Geheimnis der Contessa - Historischer Roman
Martinis Vergehen zu wissen, galt einem Angriff auf den Fürsten von Siena. Er schlug dem Vogt einen Handel vor. Also zettelte Martini daraufhin einen Überfall an, was den Principe neben viel Silber ein Auge kostete. Er ließ selbst nach den Räubern suchen, da das Verbrechen am Rande Grossetos verübt worden war. Stolz auf seine eigene Klugheit grinste er breit. Natürlich hatte er die Burschen aufknüpfen lassen, an Ort und Stelle, ohne ein Gericht. Diese Dummköpfe! Sie hatten nicht einmal versucht zu fliehen. Nun, sie haben ihren Lohn erwartet, und den haben sie auch bekommen, dachte er selbstgefällig. Es gab keine Zeugen, nichts. Und er konnte den Zehnten zurückzahlen und war alle Sorgen los.
Martini nahm den Beutel an sich und versuchte, so unauffällig wie möglich zur Eingangstür der Kirche zu gelangen. Er hatte die schwere Klinke schon in der Hand, da spürte er etwas neben sich. Es war der Pfarrer. Wortlos hielt er ihm einen Teller für Opfergaben hin. Der Stadtvogt seufzte und zählte eine Handvoll Münzen ab. Mit der Miene eines Mannes, der wohl weiß, dass er Gutes tut, ließ er die Scudos geräuschvoll auf das Metall fallen. Hell klingelte das Silber auf der vergoldeten Platte. Ohne ein Wort des Dankes abzuwarten, verstaute er das Geldsäckchen gewissenhaft in seinem Wams, dann öffnete er die wuchtige Tür und trat ins Freie. Martini atmete tief durch. Er spürte zwar noch ein leichtes Unbehagen, aber das war beim ersten Mal auch so gewesen, und letztendlich war ihm nichts passiert. Warum sollte es dieses Mal anders sein?
Der Vogt blinzelte in die Sonne. Heute war ein schöner Tag. Dass der Fremde ihn genarrt hatte, darüber wollte er sich nicht mehr aufregen. Er konnte es sowieso nicht ändern. Er würde jetzt nach Hause gehen und die Münzen zählen. Francesca war nicht da; sie kümmerte sich um eine Tante, die am Fieber litt, und würde wohl erst wiederkommen, wenn die Alte zu Grabe getragen war. Beim Gedanken daran, ungestört vom Gezeter seiner mausgesichtigen Schwester den neuen Reichtum genießen zu können, schmatzte er laut vor Gier.
»Vogt!«
Unwillig drehte sich Martini um. Wenn er etwas nicht leiden konnte, dann das, in seinen Tagträumen gestört zu werden. Grimmig sah er auf den kleinen Jungen herab, der halb ängstlich, halb mutig vor ihm stand.
»Was willst du, ich habe heute keine Zeit für Geschwätz.«
»Ich soll Euch sagen, Ihr werdet in Eurem Haus erwartet.«
Der Stadtvogt sah dem Kind nach, wie es auf den bloßen Fußsohlen kehrtmachte und davonlief. Man erwartete ihn also. Der Vogt spürte den Geldbeutel hart gegen seinen Bauch drücken. Er beschleunigte sein Tempo; Neugier ist auch eine Gier, dachte er und begab sich auf dem kürzesten Weg zu seinem Haus.
Von Weitem sah er Benedetto auf der Schwelle sitzen. Der junge Zigeuner schnitzte an einem Stock herum und schien alle Zeit dieser Welt zu besitzen. Schon spürte Martini den alten Zorn in sich hochsteigen. Aber er wollte keinen Streit, nicht jetzt. Mit betont freundlichem Gesicht näherte er sich dem Gaukler, der ihn immer noch nicht zu bemerken schien.
»Gut, dass du nach mir geschickt hast, mein Freund«, begann er und breitete überschwänglich die Arme aus, »meine Schwester steht ihrer Tante bei, und ich war heute Morgen in der Kirche.«
Benedetto nickte und stand auf, ohne auf die Worte des Vogts einzugehen.
»Wo können wir in Ruhe reden?«, fragte er, und der Blick, mit dem er dabei den Vogt bedachte, ließ diesen erschauern. Ich habe ihn unterschätzt, dachte Martini, dieser Lump ist gefährlich.
»Lass uns hineingehen«, mahnte er leutselig und öffnete die Tür, »drinnen ist es angenehm kühl. Hast du schon etwas gegessen? Francesca hat dafür gesorgt, dass ich während ihrer Abwesenheit nicht darben muss.«
Benedetto folgte dem Vogt an den großen Tisch, an dem sie vor nicht allzu langer Zeit ihren Handel beschlossen hatten. Scheinbar gut gelaunt tischte der Stadtvogt auf und machte dem Gaukler ein Zeichen, sich zu bedienen. Mit sich selbst und seiner Güte zufrieden lehnte er sich zurück und sah den Zigeuner fragend an. Benedetto nagte in aller Ruhe ein Hühnerbein ab, dann nahm er einen großen Schluck von dem Wein, den Martini ihm eingeschenkt hatte, und dann, endlich, begann er zu berichten.
An der tyrrhenischen Küste wütete das Fieber. Das Land war inzwischen so entvölkert, dass es an Männern fehlte, um die Stadtmauer von Lucca zu Ende zu bauen. Die Wälder brannten; die Ernte war
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