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Das Geheimnis der Eulerschen Formel

Das Geheimnis der Eulerschen Formel

Titel: Das Geheimnis der Eulerschen Formel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yoko Ogawa
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Tränen zu verbergen suchte. Ganz offensichtlich hatte das alles nichts mit den Tigers zu tun.
    »Wieso tust du das? Die Wunde ist eben erst genäht worden. Was, wenn sie wieder aufplatzt und zu bluten beginnt?«
    Tränen liefen über seine Wangen. Ich wollte nachsehen, ob auch kein Blut durch den Verband sickerte, aber er schob meine Hand weg. Der Jubel aus dem Radio ließ auf einen Treffer schließen.
    »Hat es dir doch etwas ausgemacht, dass ich dich mit dem Professor allein gelassen habe, um einkaufen zu gehen? Schämst du dich dafür, dass dir das Messer abgerutscht ist? Oder war es dir vielleicht peinlich, dass dir im Beisein des Professors ein solches Missgeschick passiert ist?«
    Er sagte kein Wort. Inzwischen war Kaneyama am Schlag.
    »
Kuwata hat noch keinen Treffer zugelassen, und Kameyama wurde schon zwei Mal ausgeworfen. Gleich kommt Kuwatas Wurf. Er holt Schwung und
…«
    Die aus dem Radio dringenden Jubelschreie der Zuschauer wurden immer lauter und übertönten sogar die Stimme des Reporters, doch Root schien davon nichts mitzubekommen. Stumm und reglos saß er da, während ihm die Tränen über die Wangen liefen.
    Was für ein Abend, dachte ich. Natürlich hatte ich Root schon oft weinen sehen, wenn er jähzornig war oder als seine Großmutter starb. Vor allem aber hatte er geweint, als er das Licht der Welt erblickte.
    Aber diese Tränen jetzt waren anders. Ich konnte sie noch so oft trocknen, sie flossen an einem Ort, zu dem ich niemals Zugang haben würde.
    »Bist du traurig, weil der Professor deine Wunde nicht ordentlich verarzten konnte?« Ich wagte einen letzten Versuch.
    »Nein, überhaupt nicht.«
    Root sah mich an und sprach trotz seiner Tränen mit gefasster Stimme: »Es ist, weil du es ihm nicht zugetraut hast. Ich finde es furchtbar, dass du glaubst, dass er sich nicht um mich kümmern kann.«
    Kameyama erwischte den zweiten Ball, sein Schlag ging ins rechte Halbfeld, sodass Wada einen Punkt erzielen konnte und somit das Spiel entschied. Der Reporter stieß vor Aufregung einen Schrei aus, und der Jubel der Menge schwappte wie eine Woge über uns.
    Am nächsten Tag schrieb ich zusammen mit dem Professor neue Notizzettel.
    »Ich frage mich, woher all das Blut kommt«, wunderte er sich und schaute nach, ob er sich irgendwo geschnitten hatte.
    »Root, mein Sohn, hat sich gestern mit einem Messer an der Hand verletzt. Es ist aber nicht weiter schlimm.«
    »Ihr Sohn? Ach, das ist ja schrecklich. Er hat wohl ziemlich stark geblutet.«
    »Nein, gar nicht. Wir haben es Ihnen zu verdanken, dass nichts weiter passiert ist.«
    »Wirklich? Ich habe ihm geholfen?«
    »Ja, natürlich. Sonst wären doch nicht all Ihre Zettel mit Blut befleckt.«
    Ich löste eine Notiz nach der anderen von seinem Anzug. Sie waren überall, sodass ich das Gefühl hatte, es würde kein Ende nehmen. Bei den meisten Notizen handelte es sich um mathematische Formeln. Außer Zahlen gab es nur wenige Dinge, an die er sich erinnern musste.
    »Sie haben übrigens nicht nur Root geholfen, sondern mir im Wartezimmer der Arztpraxis etwas sehr Bedeutendes erklärt.«
    »Etwas Bedeutendes?«
    »Ja, Dreieckszahlen. Sie haben mir eine Formel gezeigt, mit der man die Summe der natürlichen Zahlen von 1 bis 10 errechnen kann. Auf so etwas wäre ich selbst nie gekommen. Es ist großartig, einfach wunderbar … Nun, lassen Sie uns mit diesem Zettel beginnen!«
    Ich reichte ihm die allerwichtigste Notiz:
Meine Erinnerung dauert nur 80 Minuten
.
    Der Professor nahm einen neuen Zettel und schrieb den Satz ab. Dabei las er die Zeile so leise mit, dass sie nur für seine Ohren bestimmt war: »Meine Erinnerung dauert nur achtzig Minuten.«

5
    Der Professor verfügte über einige bemerkenswerte Fähigkeiten, wobei mir nicht klar war, ob sie mit seinem mathematischen Talent zusammenhingen. Zum Beispiel konnte er auf der Stelle einen Satz rückwärts aufsagen. Wir entdeckten das, als Root sich eines Tages mit einer Japanisch-Hausaufgabe herumquälte, bei der er Palindrome bilden musste.
    »Es ist doch wohl klar, dass völliger Quatsch bei Sätzen herauskommt, die man vorwärts wie rückwärts lesen kann.
Ein Esel lese nie
. So etwas habe ich noch nie gehört. Sie etwa?«
    »
Tröhegein
«, nuschelte der Professor.
    »Was sagen Sie da?«
    »
Adeisnegassaw

    »He, was ist mit Ihnen los?«
    »
Solnenhitimtsisaweh

    »Ich glaube, jetzt ist er völlig übergeschnappt«, rief Root mir zu.
    »Da hast du ganz recht. Wir drehen alle ein bisschen

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