Das Geheimnis der Götter
kleine Stadt lag auf einem Hügel und schien in der Sonne vor sich hin zu dösen. Man verehrte dort ein großes Krokodil, die Verkörperung von Sobek. Sein Weibchen war fast genauso stattlich und trug Ohrringe aus Gold und Glaspaste.
»Welche Reliquie sollen wir hier holen?«, fragte Sekari.
»Bisher habe ich alles so erhalten, wie es im Heiligen Buch der Erdkunde von Abydos beschrieben ist. Im Tempel dieser Stadt nun wird aber jedes Jahr die Wiedervereinigung der göttlichen Gliedmaßen gefeiert. Das Krokodil von Sobek erfüllt die alte Sonne im Herzen des großen Sees neu, besiegt die Finsternis und verkündet die wiedergefundene und auferstandene Krone des Osiris.«
Im Hafen herrschte wie üblich rege Betriebsamkeit. Hafenarbeiter entluden Frachtschiffe, Schreiber listeten Art und Menge der Waren auf.
»Warte hier, ich will mich erst einmal umsehen.«
»Was macht dir Sorgen?«
»In Anbetracht der besonderen Umstände finde ich diese scheinbare Ruhe äußerst verdächtig.«
Während Sekari unterwegs war, erholte sich die Mannschaft ein wenig – Nordwind und Fang eingeschlossen. Und der Anblick des großen Hundes hielt Neugierige davon ab, dem Schiff ungebührlich nahe zu kommen.
Sekari kam zurück und wirkte beunruhigt.
»Der Tempel ist verschlossen. Wir müssen uns sehr unauffällig verhalten, weil ich große Feindseligkeit gespürt habe.«
In Begleitung von Nordwind ging Isis an dem Heiligtum vorbei, der Hund folgte ihr wachsam.
Dann wandte sich die Priesterin an eine Fischhändlerin.
»Ich möchte eine Opfergabe in den Tempel bringen.«
»Da musst du dich wohl etwas gedulden, schönes Kind!
Wegen eines bösen Fluchs haben uns alle Priester verlassen. Wenn sie nicht zurückkommen, wird uns das Krokodil verschlingen.«
»Wohin sind sie denn gegangen?«
»Ins Reich der Flamme, das ist eine verlassene Insel im Norden des großen Sees. Wenn kein Wunder geschieht, werden sie alle ertrinken.«
»Gibt es jemand, der mich dorthin bringen kann?«
»Ja, der Fährmann weiß, wo die Insel ist, aber er kann hübsche Frauen nicht ausstehen und verlangt unverschämte Preise! Vergiss es einfach, schöne Frau, und sieh zu, dass du hier wegkommst. Das fällt hier bald alles den Ungeheuern zum Opfer.«
Esel und Hund waren ganz friedlich, also gab es für Isis keinen Grund zur Beunruhigung. Niemand war ihr gefolgt, und auch Sekari hatte nichts Bedrohliches entdecken können.
»Der Prophet ist uns zuvorgekommen«, sagte er.
»Ich muss meinen Plan ändern und den Fährmann dazu bringen, dass er mich zu der Insel fährt, auf der sich die Priester versammelt haben.«
»Bestimmt ist das eine Falle!«
»Das werden wir ja sehen!«, meinte Isis nur.
Mit grauen Haaren, fahlem Gesicht und einem ärmlichen Kleid hatte sich Isis in eine alte Frau verwandelt. Als sie zu dem Fährmann, einem alterslosen, großen Mann, in sein Boot stieg, blieb der sitzen und sah sie nicht einmal an.
»Kannst du mich ins Reich der Flamme fahren?«
»Das ist weit und teuer. Du schaust nicht gerade so aus, als könntest du dir das leisten.«
»Was verlangst du denn?«
»Für einen Apfel und ein Ei mache ich das jedenfalls nicht!
Hast du einen goldenen Ring?«
»Ja, bitte.«
Der Fährmann sah ihn sich lange an.
»Außerdem brauche ich noch einen erstklassigen Stoff im Wert von einhundertfünfzig Scheffeln Dinkel und einer Bronzeschale.«
»Hier, bitte.«
Er nahm den Stoff, befühlte ihn und faltete ihn auseinander.
»Kennst du die Zahlen?«
»Die Eins ist der Himmel. Die Zwei steht für das schöpferische Feuer und die lichte Luft. Die Drei sind alle Götter. Vier sind die Himmelsrichtungen, und die Fünf öffnet die Sinne.«
»Da du die Fähre zusammensetzen kannst, wird sie dich auch an dein Ziel bringen. Meide die Schlachthalle, dort warten Seths Kämpfer auf dich.«
Der Fährmann verließ das Boot, das sich von ganz allein in Richtung großer See in Bewegung setzte. Darauf war Sekari nicht vorbereitet gewesen, und er musste am Ufer zurückbleiben.
Dichter Nebel lag über dem Reich der Flamme. Die Fähre bahnte sich einen Weg durch ein Labyrinth von Wasserläufen und blieb schließlich gegenüber einer kleinen grünen Insel stehen. Dort waren die Priester aus dem Tempel des Sobek versammelt und riefen um Hilfe.
Isis übernahm das Ruder und fuhr auf sie zu. Auch wenn das gefährlich sein konnte, musste sie sie retten.
Seths Anhänger hatten sich hinter ihren Geiseln verborgen und schleuderten ihre Lanzen.
Ein Pelikan
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