Das Geheimnis der Götter
Kräfte. Doch die beiden Männer kehrten der Kapelle den Rücken zu und betrachteten eines der Standbilder, das den Pharao als Osiris zeigte.
Nach einem besonders arbeitsreichen Tag war Iker sehr erschöpft, konnte aber die Einladung des Kahlen nicht ausschlagen.
»Die Handwerker waren heute ziemlich unangenehm«, begann der alte Ritualist.
»Das kann man wohl sagen! Dabei sind sie nicht mehr weit weg von ihrem Ziel. Habt Ihr ihnen etwa geraten, mich bei meiner Arbeit zu behindern?«
»Das wäre sinnlos, sie kennen die Regel. Du kennst sie aber nicht.«
»Ich bin bereit, sie zu lernen und mich daran zu halten.«
»Memphis soll eine fröhliche Stadt sein, in der es jede Menge Zerstreuung für junge Leute wie dich gibt. Wäre dir das nicht auch lieber?«
»Erwartet Ihr wirklich ein Ja?«
Der Kahle brummelte ärgerlich vor sich hin.
»Ohne eine neue Schwelle zu überschreiten, kannst du deinen Auftrag nicht erfüllen. Das wissen die Handwerker, und sie dulden keine Bevorzugung.«
»Die verlange ich auch gar nicht.«
»Sieh dir diese Osiris-Statue an. Wer, glaubst du, hat sie geschaffen?«
»Die Bildhauer von Abydos, nehme ich an.«
»Nicht alle, Königlicher Sohn! Obwohl sie alle ausgezeichnet arbeiten, hat doch nur ein kleiner Teil von ihnen Zugang zum Goldenen Haus. Dort finden die geheimen Arbeiten statt, aus denen die Statue geboren wird – die Verwandlung des Urstoffes, Stein, Holz oder Eisen, in ein lebendiges Werk. Die wahren Schöpfer, von denen es nur sehr wenige gibt, werden zu Dienern Gottes und kennen die Worte der Macht, die magischen Sprüche und die wichtigen Rituale. So formen sie dann ewige Stoffe, die kein Feuer zerstören kann. Entweder dulden sie dich in ihrer Mitte, oder du musst Abydos verlassen.«
Da Iker seine Aufgaben nicht vor dieser Prüfung verschonten, erhob er keinen Einwand. Der Gedanke, eine neue Seite von Abydos zu entdecken, weckte sogar seine Begeisterung.
»Ist das Gold, das in diesem Haus verwendet wird, das gleiche wie das des Goldenen Kreises?«
»Nur dieses Gold macht bei der Feier der Mysterien die Auferstehung von Osiris möglich. Deshalb war dein ganzes bisheriges Leben der Suche nach diesem Gold geweiht – auch wenn du das nicht wusstest. Als du dieses Metall nach Abydos gebracht hast, hast du dich selbst dazu verpflichtet, deinen Weg weiterzugehen. Osiris offenbart den Eingeweihten die Reichtümer der Berge und der unterirdischen Welt, er zeigt ihnen die Schätze, die sich unter der Erdoberfläche verbergen, und lehrt sie, diese Metalle zu bearbeiten. Einer wichtigen Tatsache musst du dir bewusst sein: Osiris ist die Vollendung von Gold.«
7
Gergu hatte es ziemlich eilig, Abydos wieder zu verlassen. Ausgerüstet mit einer Liste von Lebensmitteln, die er bei seiner nächsten Fahrt nach Abydos mitbringen sollte, betrat er die Landungsbrücke, als jemand mit einer Stimme nach ihm rief, die ihm sehr bekannt vorkam.
»Gergu! Ich wusste gar nicht, dass du hier bist.«
Der Oberaufseher über die Getreidespeicher drehte sich um.
»Was für eine Freude, dich wiederzusehen, Königlicher Sohn!«
»Wolltest du etwa weg, ohne mich zu begrüßen?«
»Ich habe doch nicht gewusst, dass du hier bist.«
»Und, wie war dein Aufenthalt?«
»Arbeit, Arbeit, nichts als Arbeit! Abydos ist nicht gerade als Vergnügungsort bekannt.«
»Wenn du mir erzählst, was genau du hier zu tun hast, könnte ich dir die Arbeit vielleicht erleichtern.«
»Ich muss zurück nach Memphis.«
»Ist das dringend?«
Gergu biss sich auf die Lippen. »Nun ja…«
»Dann komm und trink ein Bier mit mir.«
»Ich will dich aber wirklich nicht stören…«
»Es ist schon fast Abend, um diese Zeit bricht man doch nicht zu einer Reise auf. Du fährst morgen früh.«
Gergu fürchtete sich vor den Fragen, die ihm der Königliche Sohn stellen würde. Er hatte Angst, er könnte sich bei den Antworten verraten und ihre Sache in Gefahr bringen. Weglaufen konnte er aber auch nicht, das käme einem Schuldeingeständnis gleich.
Mit weichen Knien und unsicherem Blick ging Gergu neben Iker her. Einige Zeitweilige bemerkten diese besondere Gunst und dachten gleich an eine Beförderung.
Die Köchin hatte das Essen fertig: Es gab gebratene Wachteln, Linsen, Lattich und Feigenmus. Obwohl Gergu der Essensduft verführerisch um die Nase zog, blieb ihm beim Anblick von Isis der Mund offen stehen. Sie kam gerade vom See des Lebens zurück, wo sie mit den ständigen Priesterinnen ein Ritual gefeiert
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