Das Geheimnis Der GroÃ?en Schwerter / Die Nornenkönigin: Bd 3
zugefügt wird. Aber das heißt nicht, dass die Ältesten zulassen würden, dass ein Bewohner der Siedlung Euch hilft. Es ist schwer zu sagen.«
Sie debattierten bis in den tiefen Abend. Tiamak tat sein Bestes, um ihnen die Entfernungen und Gefahren deutlich zu machen, die mit der Reise zu einer anderen Siedlung im Süden von Haindorf verbunden waren. Endlich, während eine Horde schnatternder Affen über ihnen dahinstob, dass sich zitternd die Äste bogen, kamen sie zu einem Entschluss.
»Es ist hart für Euch, Tiamak«, sagte Isgrimnur, »und wir wollen Euch zu nichts zwingen, aber es scheint das Beste zu sein, wenn wir zu Eurem Dorf fahren.«
Der Wranna nickte ernst. »Ich bin derselben Meinung. Und obwohl ich dem Stammesvolk von Hohenasthäusern oder Gelbbäumen nie etwas zuleide getan habe, ist es keineswegs sicher, dass sie Fremden freundlich begegnen. Mein Volk hat sich zumindest gegenüberden wenigen Trockenländern, die bisher zu uns gekommen sind, duldsam verhalten.« Er seufzte. »Ich glaube, ich gehe noch ein Stück spazieren. Bitte bleibt am Feuer.« Er stand auf und stapfte hinunter zum Wasser, wo er rasch in der Dunkelheit verschwand.
Camaris, den die Unterhaltung der anderen langweilte, hatte längst den Kopf auf einen Mantel gelegt und war eingeschlafen, zusammengerollt und die langen Beine angezogen wie ein kleines Kind. Miriamel, Isgrimnur und Cadrach sahen einander über das flackernde Feuer an. Die unsichtbaren Vögel, die verstummt waren, als Tiamak den Lagerplatz verließ, erhoben von neuem ihre krächzenden Stimmen.
»Er macht so einen traurigen Eindruck«, meinte Miriamel.
Isgrimnur gähnte. »Auf seine Art ist er ein sehr vertrauenswürdiger Mann.«
»Armer Kerl.« Miriamel senkte die Stimme, damit der Wranna, falls er in diesem Augenblick zurückkehrte, sie nicht hören konnte. Niemand lässt sich gern bemitleiden. »Er weiß ungeheuer viel über Pflanzen und Blumen. Zu schade, dass er so weit weg von anderen Menschen lebt, die es zu würdigen wissen.«
»Das geht auch anderen so«, bemerkte Cadrach, hauptsächlich zu sich selbst.
Miriamel beobachtete einen kleinen Hirsch mit weißen Flecken und runden Augen, der zum Trinken ans Wasser gekommen war. Als er keine drei Ellen vom Boot entfernt das sandige Ufer entlangstakste, hielt sie den Atem an. Auch ihre Gefährten waren in der nachmittäglichen Hitze verstummt und würden das Tier nicht verscheuchen. Sie legte das Kinn auf die Bordwand und bewunderte seine anmutigen Bewegungen.
Als er die Nase in den schlammigen Fluss tauchte, brach plötzlich ein zahniges Maul aus dem Wasser. Bevor der Hirsch zurückspringen konnte, hatte das Krokodil ihn gepackt und zerrte das wild um sich schlagende Tier hinab in die braune Dunkelheit. Nur ein paar kleine Wellen kündeten noch von dem Geschehen. Voller Widerwillen und nicht ohne Furcht wandte Miriamel sich ab. Wie schnell der Tod gekommen war! Je besser sie es kennenlernte, desto trügerischererschien ihr das Wran, eine Gegend voll wehender Fächer, wandernder Schatten und ständiger Bewegung. Für alles Schöne – große, blutrote Blütenglocken, betäubend im Duft wie eine vornehme Nabbanai-Matrone, oder Kolibris wie juwelenbesetzte Lichtblitze – gab es wie zum Ausgleich etwas Hässliches zu sehen, so wie die großen grauen Spinnen vom Umfang eines Suppentellers, die an den überhängenden Zweigen klebten.
In den Bäumen gab es Vögel in tausend Farben, spöttische Affen und sogar gefleckte Schlangen, die von den Ästen herunterhingen wie aufgeschwollene Ranken. Bei Sonnenuntergang stiegen aus den oberen Zweigen plötzlich Wolken von Fledermäusen auf und verwandelten den Himmel in einen Wirbelsturm von Flügeln. Überall gab es Insekten, die summten und stachen und deren Flügel im ungleichmäßigen Sonnenlicht schimmerten. Selbst der Pflanzenwuchs bewegte und veränderte sich. Schilf und Bäume bogen sich im Wind, die Wasserpflanzen schwankten mit jeder Welle. Das Wran war ein Teppich, in dem kein Faden stillzustehen schien. Alles lebte.
Miriamel erinnerte sich an den Aldheorte, der auch ein Ort des Lebens gewesen war, voll tiefer Wurzeln und ruhiger Kraft. Aber der Forst war alt. Wie ein Volk aus grauer Vorzeit schien er seine eigene, feierliche Melodie gefunden zu haben, seinen gemessenen, immer gleichmäßigen Schritt. Ihr fiel ein, dass sie damals gedacht hatte, der Aldheorte könnte so, wie er jetzt war, mühelos bis ans Ende aller Zeiten bleiben. Das Wran dagegen schien sich
Weitere Kostenlose Bücher