Das Geheimnis Der GroÃ?en Schwerter / Die Nornenkönigin: Bd 3
umklammernd.
Sie spürte die Hände, die sie schüttelten, und hörte die sanfte Stimme, aber ihr Geist wollte nicht zurückkehren in die wachende Welt.
»Wach auf, Mädchen!«
Endlich rollte sich Miriamel stöhnend auf die Seite und öffnetedie Augen. Gan Itai schaute auf sie herunter. Ein Ausdruck von Besorgnis furchte ihre ohnehin faltige Stirn noch tiefer. Vom Gang her sickerte durch die Luke Morgenlicht zur offenen Tür herein. Die schmerzhaft quälende Erinnerung an den Vortag, im ersten Augenblick weit entfernt, schlug von neuem über ihr zusammen.
»Geht weg«, forderte sie die Niskie auf. Sie versuchte, sich die Decke wieder über den Kopf zu ziehen, aber Gan Itais kräftige Hände hielten sie fest und zogen sie hoch.
»Was höre ich da an Deck? Die Matrosen sagen, Graf Aspitis heiratet auf Spenit – heiratet dich! Ist das wahr?«
Miriamel bedeckte die Augen mit der Hand, damit das Licht sie nicht blendete. »Weht der Wind wieder?«
Ratlosigkeit lag in Gan Itais Stimme. »Nein, wir stecken noch immer in der Flaute. Was soll diese merkwürdige Frage?«
»Weil er mich nicht heiraten kann, wenn wir nicht dorthin kommen«, flüsterte Miriamel.
Die Niskie schüttelte den Kopf. »Beim Unerforschten! Dann stimmt es also! Ach, Mädchen, es ist nicht das, was du dir wünschst, nicht wahr?«
Miriamel schlug die Augen auf. »Ich wäre lieber tot.«
Gan Itai gab ein leises, betrübtes Summen von sich. Sie half Miriamel, die Füße aus dem Bett und auf den Boden zu setzen, und brachte ihr den kleinen Spiegel, den Aspitis ihr geschenkt hatte, als er ihr noch vorspielte, liebenswürdig zu sein.
»Möchtest du dir nicht das Haar bürsten?«, fragte die Niskie. »Es sieht unordentlich und zerzaust aus, und ich glaube, so hast du es nicht gern.«
»Es ist mir gleich«, brummte Miriamel, aber Gan Itais besorgter Blick rührte sie. Die Seewächterin wusste keinen anderen Weg, ihr zu helfen. Miriamel streckte die Hand nach dem Spiegel aus. Der Griff von Aspitis’ Dolch, den die Falten der Decke verborgen hatten, verfing sich in ihrem Ärmel, und die Waffe fiel klirrend zu Boden. Miriamel und die alte Niskie starrten sie sekundenlang an. Jäh erkannte Miriamel mit eisiger Kälte, wie sich die Tür zu ihrem einzigen Fluchtweg vor ihr schloss. Sie sprang aus dem Bett, um nach dem Dolch zu greifen. Aber Gan Itai hatte sich schon vor ihr gebückt.Mit einem erstaunten Ausdruck in den goldgefleckten Augen hielt sie die Waffe hoch. »Gebt sie mir«, sagte Miriamel.
Gan Itai betrachtete den silbernen Fischadler, so geschmiedet, dass er auf dem Knauf des Dolchs zu landen schien. »Das ist das Messer des Grafen.«
»Er hat es hiergelassen«, log Miriamel. »Gebt es mir zurück.«
Die Niskie wandte ihr das ernste Gesicht zu. »Das hat er nicht. Er trägt es nur mit seinen besten Kleidern, und ich sah, was er anhatte, als er heute Nacht an Deck kam. Außerdem steckte sein anderer Dolch in seinem Gürtel.«
»Er hat ihn mir gegeben … ein Geschenk …« Unvermittelt brach die Prinzessin in Tränen aus, ein heftiges, krampfhaftes Schluchzen, das den ganzen Körper erschütterte. Gan Itai sprang erschrocken auf und schloss die Kabinentür.
»Ich hasse ihn!«, zischte Miriamel und wiegte sich hin und her. Gan Itai legte ihr einen dünnen, trockenen Arm um die Schultern. »Ich hasse ihn!«
»Aber was willst du mit seinem Messer?« Und als sie keine Antwort bekam, wiederholte Gan Itai: »Sag es mir, Mädchen.«
»Ich werde ihn töten.« Es auszusprechen gab Miriamel Kraft. Für kurze Zeit versiegten ihre Tränen. »Ich werde dieses Vieh, diesen Hurenbock erdolchen, und was danach geschieht, ist mir gleichgültig.«
»Nein, nein. Das ist Wahnsinn«, erwiderte die Niskie stirnrunzelnd.
»Er weiß, wer ich bin, Gan Itai.« Miriamel rang nach Atem. Das Sprechen fiel ihr schwer. »Er weiß, dass ich die Prinzessin bin, und er sagt, er will mich heiraten … um nach dem Sieg meines Vaters Herr von Nabban zu werden. Aspitis hat auch geholfen, meinen Onkel Leobardis zu ermorden. Und er bringt Geld zu den Feuertänzern.«
»Was redest du da?« Gan Itai sah sie gespannt an. »Diese Feuertänzer sind Verrückte.«
»Mag sein, aber Aspitis hat eine Truhe voller Beutel mit Silber und Gold und ein Buch, in das er die Zahlungen einträgt. Außerdem hat er dort das zusammengerollte Gewand eines Feuertänzers versteckt.Aspitis würde nie so rauhen Stoff tragen.« Es war plötzlich so klar, so lächerlich eindeutig: Aspitis würde lieber
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