Das Geheimnis Der GroÃ?en Schwerter / Die Nornenkönigin: Bd 3
zog die Stirn in Falten. »Ich habe nie herausgefunden, was es für ein Plan war. Jetzt, da Dinivan tot ist, fürchte ich, dass der Marschmann allein und ohne Freunde dasteht. Leleth und ich haben versucht, ihn zu erreichen, es aber nie ganz geschafft. Die Traumstraße ist neuerdings äußerst unsicher.«
Sie griff über die Säule und hob von dem mit Geröll übersäten Boden einen kleinen Wasserkrug auf. »Darum hoffe ich, dass Eure zusätzliche Kraft uns hilft, Tiamak zu finden. Wir wollen ihm mitteilen, dass er zu uns kommen soll, wenn er Schutz braucht. Darüber hinaus habe ich Josua versprochen, dass ich noch einmal versuchenwill, zu Miriamel durchzudringen. Das ist ein noch viel merkwürdigerer Fall – es liegt ein Schleier über ihr, ein Schatten, der mich daran hindert, ihren Aufenthaltsort festzustellen. Du hast ihr nahegestanden, Simon. Vielleicht verhilft uns diese Bindung zwischen Euch endlich zum Durchbruch.«
Miriamel. Bei dem Namen stieg eine Flut starker Gefühle in Simon auf – Hoffnung, Zuneigung, Bitterkeit. Er war zornig und enttäuscht gewesen, sie nicht auf dem Sesuad’ra zu finden. Irgendwo im Hinterkopf hatte er fest geglaubt, sie würde dort sein und ihn willkommen heißen, wenn er es nur schaffte, sich zum Stein des Abschieds durchzuschlagen. Ihre Abwesenheit gab ihm das Gefühl, von ihr mutwillig verlassen worden zu sein. Außerdem hatte es ihn sehr erschreckt, als er erfuhr, dass sie mit dem Dieb Cadrach als einzigem Begleiter verschwunden war.
»Ich werde helfen, so gut ich kann«, versprach er.
»Gut.« Geloë stand auf und wischte sich die Hände an den Hosen ab. »Kommt, Strangyeard, ich zeige Euch, wie man Hohnblatt und Nachtschatten mischt. Verbietet Eure Religion diese Dinge?«
Der Priester zuckte ratlos die Achseln. »Ich weiß nicht. Vielleicht … aber wir leben in sonderbaren Zeiten.«
»Allerdings.« Die Zauberfrau grinste. »Dann lasst es Euch jetzt erklären. Betrachtet es als Geschichtsunterricht, wenn Euch das lieber ist.«
Simon und Binabik sahen schweigend zu, wie Geloë dem begeisterten Archivar das Mischungsverhältnis erklärte.
»Das ist der letzte Rest dieser Pflanzen, solange wir diesen Felsen nicht verlassen«, sagte sie danach. »Ein weiterer Ansporn, diesmal erfolgreich zu sein. Hier.« Sie tupfte ein wenig von der Paste auf Simons Handflächen, Stirn und Lippen und wiederholte den Vorgang bei Strangyeard und Binabik, bevor sie den Topf wieder hinstellte. Simon spürte, wie der Brei auf seiner Hand erkaltete.
»Und was ist mit Euch und Leleth?«, fragte er.
»Ich kann darauf verzichten. Leleth hat es nie gebraucht. Setzt Euch jetzt ruhig hin und fasst einander bei den Händen. Vergesst nicht, die Straße der Träume ist sehr anders geworden. Habt keine Furcht, aber seid auf der Hut.«
Sie stellten eine der Lampen auf den Boden und bildeten neben der verfallenen Säule einen Kreis. Simon hielt auf der einen Seite Binabiks kleine Hand, auf der anderen Leleths ebenso kleine. Über das Gesicht des Mädchens breitete sich langsam ein Lächeln, das blinde Lächeln eines Menschen, der von schönen Überraschungen träumt.
Das eisige Gefühl wanderte von Simons Armen nach oben und durch seinen ganzen Körper hindurch und erfüllte seinen Kopf mit einer Art Nebel. Trotz des Dämmerlichts versank der Raum rasch in Dunkelheit. Bald konnte Simon nichts mehr erkennen als die flackernden orangeroten Zungen des Feuers. Dann verwandelte sich selbst dieses Licht in Finsternis … und Simon fiel hinein.
Jenseits der Schwärze dehnte sich ein unendliches, dunstiges Grau – ein Meer aus Nichts ohne Decke und Boden. In dieser gestaltlosen Leere begann sich allmählich ein Gebilde zu formen, etwas Kleines, Geschwindes, das hin und her hüpfte wie ein Sperling. Es dauerte nur eine Sekunde, bis Simon Leleth erkannte; aber es war eine Traum-Leleth, eine Leleth, die herumsprang und sich drehte. Ihre dunklen Haare flatterten in einem Wind, den er nicht spürte. Obgleich kein Laut an sein Ohr drang, sah er, wie sich ihr Mund zu entzücktem Lachen kräuselte, während sie ihn heranwinkte. Selbst ihre Augen waren so voller Leben, wie er sie nie erblickt hatte. Das war das kleine Mädchen, dem er nie begegnet war – das Kind, das auf unerklärliche Weise die reißenden Mäuler der Sturmspitzen-Meute nicht überlebt hatte. Hier war sie wieder lebendig, frei vom Schrecken der wachenden Welt und ihrem eigenen, narbenbedeckten Körper. Sein Herz tat einen Sprung, als er ihrem
Weitere Kostenlose Bücher