Das Geheimnis Der GroÃ?en Schwerter / Die Nornenkönigin: Bd 3
wandte den Blick von dem alten Mann ab, der geduldig auf die nächste Frage wartete, die der Herzog ihm stellen würde. Obwohl er nicht antworten konnte, schien der einstige Camaris an Isgrimnurs Aufmerksamkeit eine stille, kindliche Freude zu haben und konnte stundenlang dasitzen und ihn anlächeln. »Ich habe von dieser Geloë gehört. Ich glaube Euch, Mann. Und wenn wir von hier weggehen, ist Euer Abschiedsstein ein durchaus vernünftiges Reiseziel – ich habe gehört, dass Josuas Lager ungefähr dort liegen soll, wo Ihr auch den Stein vermutet. Aber zunächst kann ich mich von keinem Traum, so dringlich er auch scheint, hier weglocken lassen.«
»Warum?« Tiamak wusste selbst nicht, warum es so wichtig war, dass sie sofort aufbrachen. Er wusste nur, dass er es satthatte, unnütz hier herumzusitzen. »Was können wir hier schon tun?«
»Ich warte auf Miriamel, Prinz Josuas Nichte«, erklärte der Rimmersmann. »Dinivan hat mich zu dieser gottverlassenen Herberge geschickt. Vielleicht hat er auch ihr gesagt, sie sollte sich dorthin begeben. Und da es meine beschworene Pflicht ist, sie zu finden, und ich ihre Spur verloren habe, muss ich zumindest eine Zeitlang hier ausharren.«
»Wenn er sie aber hergeschickt hat, wieso ist sie dann nicht hier?« Tiamak merkte selbst, dass es streitsüchtig klang, aber er konnte sich nicht beherrschen.
»Vielleicht wurde sie aufgehalten. Zu Fuß ist die Reise sehr lang.« Isgrimnurs Maske der Geduld fing an zu verrutschen.
»Und jetzt hört auf damit, verdammt! Ich habe Euch alles gesagt, was ich sagen kann. Wenn Ihr gehen wollt, geht. Ich halte Euch nicht auf.«
Tiamaks Mund schnappte hörbar zu. Der Wranna drehte sich um und humpelte traurig zu dem Bündel mit seinen Habseligkeiten. Unentschlossen, ob er wirklich abreisen sollte, begann er darin herumzuwühlen.
Sollte er fortgehen? Es war eine lange Strecke, die sich gewiss leichter mit einigen Gefährten zurücklegen ließ, so kurzsichtig und rücksichtslos sie auch sein mochten. Vielleicht war es ja am besten, sich einfach in das Haus im Banyanbaum zurückzuschleichen, tief im Innern der Marsch, am Rand von Haindorf. Aber dann würden seine Stammesgenossen fragen, was aus dem Auftrag in Nabban geworden war, den er für sie ausführen sollte, und was sollte er, der sie im Stich gelassen hatte, dann antworten?
Du-der-stets-auf-Sand-tritt, betete Tiamak, hilf mir aus dieser schrecklichen Unentschlossenheit!
Seine rastlosen Finger berührten dickes Pergament. Er zog das Blatt aus dem verschollenen Buch des Nisses heraus und wiegte es einen Augenblick in den Händen. Diesen kleinen Triumph konnte ihm jedenfalls keiner nehmen. Er, er und kein anderer, hatte das Pergament gefunden. Aber, Traurigkeit aller Traurigkeiten, Morgenes und Dinivan waren nicht mehr da, um es zu bestaunen! Stumm las er.
… Bringt aus Nuannis Felsgarten her
den Blinden, der sehen kann;
findet das Schwert, das die Rose befreit,
am Fuße des Rimmerbaums dann;
sucht in dem Schiff auf der seichtesten See
den Ruf, dessen lauter Schall
des Rufers Namen widerhallt –
Und sind Schwert, Ruf und Mann
dem Prinzen zur Hand
wird frei, was gefangen so lang.
Er dachte an den halbverfallenen Schrein des Nuanni, auf den er vor ein paar Tagen bei einer seiner Wanderungen gestoßen war. Der schniefende, halbblinde alte Priester hatte ihm wenig Wichtiges erzählen können, obwohl er ganz bereitwillig zu schwatzen anfing, sobald ihm Tiamak ein paar Cintis-Stücke in seine Opferschale gelegt hatte. Offenbar war Nuanni ein Meergott des alten Nabban gewesen, dessen ruhmreiche Zeit bereits vorbei gewesen war, ehenoch der Emporkömmling Usires auftauchte. Heute glaubten nur noch wenige an den alten Nuanni, hatte ihm der Priester gesagt, und wenn es nicht die winzigen Grüppchen seiner Anhänger gäbe, die sich auf den abergläubischen Inseln noch hielten, so würde kein lebendes Wesen mehr Nuannis Namen kennen, obwohl er einst über das Große Grün geherrscht und im Herzen aller Seefahrer die erste Stelle eingenommen hatte. Jetzt aber, vermutete der alte Priester, war sein Schrein wohl der letzte, den es auf dem Festland gab.
Tiamak hatte sich gefreut, dass er dem Namen auf seinem Pergament, ihm mittlerweile längst vertraut, endlich eine Geschichte zuordnen konnte, ohne jedoch weiter darüber nachzudenken. Jetzt las er noch einmal die erste Zeile der rätselhaften Reime und fragte sich, ob mit »Nuannis Felsgarten« nicht die in der Bucht von Firannos
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