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Das Geheimnis der Haarnadel

Das Geheimnis der Haarnadel

Titel: Das Geheimnis der Haarnadel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fitzgerald Heard
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Mycroft ihm noch nach. »Wir gehen zu Fuß zurück, das wird uns ein Vergnügen sein.«
    Wir wurden in jeden Winkel des Hauses geführt, und ich stellte mir vor, daß Mrs. Sprigg wohl einen gewissen Wettbewerbsdruck verspürte, uns vorzuführen, daß ihr Zwilling ebenso wohlerzogen und gut versorgt war wie der Rivale jenseits der Straße. Vielleicht war es hier nicht ganz so blitzblank wie in dem, den wir zuerst gesehen hatten, doch es gab mehr schöne Dinge hier. Und offensichtlich war es hier der Hausherr, der Sorgfalt übte, und das Dienstmädchen stand ihm zur Seite, während es dort das Mädchen war, das die Initiative ergriff, und der Herr hatte widerwillig seine Erlaubnis gegeben. Als wir, wie ich annahm, sämtliche Räume gesehen hatten, außer dem Schlafzimmer unserer Führerin, blieb Mr. M. stehen, und Mrs. Sprigg tat es ihm nach, zweifellos der Überzeugung, daß alles, was noch bliebe, die vom Besitzerwechsel einiger Münzen begleiteten Dankesworte seien, mit denen solche Besichtigungen stets zu enden pflegen. Doch Mr. M. hatte noch eine Bitte.
    »Zu den bezauberndsten Dingen an diesen beiden Häusern zählt die Landschaft, deren Zierde sie sind. Was für eine Aussicht man von diesen schönen, brustwehrgesäumten Dächern haben muß. Meinen Sie, wir könnten noch eben hinaufsteigen, unseren Blick >ins Erdenrund zu schickem, wie es im Kirchenlied heißt?«
    Das war klug formuliert. Mrs. Sprigg war offensichtlich keine Anhängerin der Hochkirche, sondern zählte zu denen, von denen es in diesem Teil der Welt heißt, daß sie >in die Kapelle gehen< und denen ein Zitat des Kirchenlieddichters Isaac Watts ebenso lieb und aufschlußreich ist wie ein Horazwort einem Freund der Antike. »Aber gewiß«, strahlte sie. »Ich fürchte nur, der Weg nach oben…«, und damit ging die Berufsehre in die Defensive, »ist nicht ganz staubfrei, sozusagen. Ich war schon wer weiß wie lange nicht mehr oben auf dem Dach, und Mr. Milium habe ich auch noch nie hinaufgehen sehen. Lassen Sie mich überlegen, das letzte Mal, daß jemand oben war, war zu Michaelis, als die Dachdecker die Ziegel wieder in Ordnung bringen mußten, nach dem letzten großen Herbststurm.«
    »Das macht überhaupt nichts«, entgegnete Mr. M. mit einem Lächeln. »Diese Landschaft zu sehen ist uns ein paar schmutzige Finger wert.«
    Sie führte uns hinauf, bis dahin, wo das Treppenhaus sich zu einer Bodentreppe verengte, und auch diese endete in etwas, das kaum mehr war als eine Leiter mit Geländer. Hier hielt Mrs. Sprigg inne, denn der Aufstieg war steil und der Pfad schmal. Weder ihr gutes, doch strapaziertes Herz noch ihr beträchtlicher Umfang hätten die letzte Etappe bewältigen können.
    »Es ist sehr stickig da oben«, rief sie uns noch keuchend als Abschiedsgruß nach.
    Und zu meiner Überraschung blieb, als wir die letzte Stufe erreichten und Hühnern glichen, die gleich ins Freie kommen, auch Mr. M. stehen und atmete schwer. Er war mir vorausgegangen bis zum obersten Punkt der Speichertreppe und war eben im Begriff, die verglaste Luke aufzudrücken, als er mehrmals tief durchatmete und dabei den Kopf senkte. Dann, als er wieder zu Atem gekommen war, drückte er die kleine Falltür auf. Eine Brise wehte herein und vertrieb die heiße, abgestandene Luft, die sich fast wie ein Gas in diesem Winkel, in den sonst kein Luftzug kam, gesammelt hatte und zweifelsohne dafür verantwortlich war, daß er nach Atem hatte ringen müssen.
    Ich folgte ihm rasch, und als wir hinaustraten, erwartete uns ein Panorama, wie ich es eindrucksvoller in seiner Sanftheit und Weitläufigkeit selten erblickt habe. In der Ferne floß der Severn – lange silberne Zierstiche auf grünem Grund. Die blauen walisischen Berge bildeten den Abschluß in der Ferne, und ringsum erstreckte sich das Tal, mit Obstgärten, in denen es blühte und knospte, mit silbergrauen Kirchtürmen und den rostroten Dächern stattlicher, behaglicher Häuser, die Farbtupfer in dieser eingängigen, fließenden Bilderpoesie des Wohlstands von Garten und Feld setzten.
    Doch nachdem Mr. M. Sabrina fair und ein oder zwei Takte aus dem >Bredon Hill< des Shropshire Lad gesummt hatte, wandte er sich um und blickte hinüber zu dem anderen Haus, das wir erst vor kurzem verlassen hatten und das wir, wie ich fand, nun tatsächlich mit hinreichender Gründlichkeit besichtigt hatten, vorerst zumindest. Mr. M. hingegen schien tief in Gedanken, während er sich vorlehnte und über die Brüstung schaute, und seine

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