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Das Geheimnis der Haarnadel

Das Geheimnis der Haarnadel

Titel: Das Geheimnis der Haarnadel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fitzgerald Heard
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scheint, aber auch ein Mord gewesen sein könnte, sich doch als ersteres erweist! Ja, ich frage mich oft, ob wir Leute vom Fach nicht im Grunde in den Richtern und Anwälten Männer dulden, die in Wirklichkeit im wahren Verständnis des Verbrechens hinter uns zurückbleiben. Wir sollten, so denke ich mir oft, nicht überlegen, wie ein Verbrechen bestraft werden soll, sondern wie man es verstehen und dadurch verhindern kann.«
    Dieser vertrauliche Ausbruch schien Mr. M. nicht im geringsten zu überraschen. Alles was er entgegnete war: »Es freut mich zu hören, Mr. Sark, daß wir in Grundfragen einer Meinung sind. Selbst wenn in Einzelheiten einmal Zwietracht herrschen sollte, werde ich fortan wissen, daß, was immer ich denken oder tun mag, wir beide au fond das gleiche meinen und dasselbe Ziel vor Augen haben.«
    Der Inspektor ließ es sich gern gefallen, solchermaßen als eher confrère apostrophiert zu werden, und nach einem markigen Handschlag zog er von dannen.
    Als er fort war, meinte Mr. M.: »Ein Mann, der sich nicht schämt, etwas über impressionistische Malerei zu wissen und dazu noch etwas von den neuesten Theorien über Licht und Schatten und die psychophysischen Probleme der Wahrnehmung, ist stets ein weitaus klügerer Bursche, als sein Geschick in professionellen Fragen annehmen ließe. Er kann Fragen stellen, nicht nur Antworten finden; Debatten eröffnen, nicht nur Fälle abschließen; und wenn Sie eine Wahl treffen müssen und die Zeit haben, darauf zu achten, werden Sie feststellen, daß es die Cleveren sind, die letzteres tun, und die Klugen, die sich an ersteres halten.«
    Wir dinierten in aller Ruhe (und das nicht schlecht), er mit seinen Gedanken und ich mit meinen Eindrücken beschäftigt, und einer gebratenen Ente für uns beide. Keine Frage, es war ein merkwürdiger Tag gewesen. Doch jenseits der reichlich unerfreulichen Geschichte begann der beschauliche Hintergrund wieder hervorzutreten, und ich fand nun allmählich, daß ich, wenn es mir gelänge, das Haus zu mieten, dieses wohl trotz des Vorfalls oder Unfalls doch als so angenehm empfinden würde, wie es mir anfangs erschienen war.
    Am nächsten Tag hörte ich, wie Mr. M. nach dem Frühstück Anweisungen gab, daß man uns etwas zum Mittagessen einpacken solle. Als wir unsere zwei Meilen lange Wanderung begannen, wandte er sich an mich: »Ich denke mir, die gute Mrs. Sprigg wird nichts dagegen haben, daß wir friedlich im Garten ihres Herrn unser Mahl einnehmen. Es wird eine schöne Abwechslung sein, einmal einen Tag an der frischen Luft zu verbringen.«
    Und so war es. Mr. M. hatte seinen guten Feldstecher dabei, und wir ließen uns Zeit und beobachteten dies und das am Wege, und er brachte eine Reihe von Dingen zur Sprache, die mich gut unterhielten. Als wir ankamen, bat Mrs. Sprigg uns, es uns auf dem Dach bequem zu machen, und wir verbrachten geraume Zeit damit, in aller Ruhe einen Ausblick zu betrachten, der nicht im geringsten dabei an Reiz verlor – zumindest nicht für mich.
    Doch nach und nach ließ sich Mr. M. von seinem übermäßigen Interesse am Partikulären – seiner großen Leidenschaft für das mikroskopische Erforschen – hinüber zu der Seite ziehen, wo das andere Haus unseren Panoramablick beschränkte. Er nahm den Feldstecher mit hinüber, und als ich ihm folgte, stellte ich tatsächlich fest, daß er durch das Glas hinunter in den Nachbargarten schaute! Als ich mich erkundigte, ob er die Namenstafeln an den Blumenrabatten dort unten entziffern wolle, entgegnete er: »Ich reflektierte über >Die Wege klar, verflocht’ne Bahnen, Schmuck des Gärtners Schere Pracht, Der Formen gibt, doch stets mit sanfter Hand, Des Beet’ ihm gern Triumph gewähr’n!< Ja, in der Tat, >Als sei sein ein Begier, der Bergamotte Zier.< Ein Garten sollte einem Menschen die Unschuld bewahren, finden Sie nicht auch?«
    Doch als er begriff, wie unsinnig es war, nachdem wir so weit hinaufgestiegen waren, den Feldstecher, den wir mitgebracht hatten, um in die Ferne zu sehen, nur dazu zu benutzen, einen Garten zu betrachten, den wir bereits aus nächster Nähe gesehen hatten, erriet er meine Gedanken und hielt mir das Glas hin mit den Worten: »Wollen Sie es haben, um den Ausblick noch weiter zu studieren? Das, was man dort in der Ferne sieht, könnte die Abtei von Pershore sein, und vielleicht können Sie sogar einen Blick auf die Malverns erhaschen. Wenn wir für den Sommer herkommen, dürften beide einen Besuch wert sein.« Und damit

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