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Das Geheimnis der Haarnadel

Das Geheimnis der Haarnadel

Titel: Das Geheimnis der Haarnadel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fitzgerald Heard
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alles übertrieben, aber wir hatten schon den Eindruck, daß hier ein durchaus solides Mordpotential bestand. Zweifelsohne hätte er uns unsere Gastfreundschaft genau so heimgezahlt, wie wir es verdienten, nämlich indem er uns bei seinem nächsten Besuch, diesmal ohne Einladung, ausgeraubt hätte. Doch in der Woche darauf wurde er von der Polizei gefaßt. Er hatte vergessen, daß in Großbritannien zwei Pistolen als Accessoires im Erscheinungsbild des gepflegten Herrn als ein Zeichen so schlechten Geschmackes gelten, daß man einen jungen Mann in einem solchen Aufzug gar nicht erst auf die Straße läßt.
    Bevor er uns an jenem Abend verließ, verriet er uns noch, wen er als nächsten Auftraggeber im Auge hatte. Es handelte sich um einen Armenier, der Drogen nach Ägypten und von dort nach Europa schmuggelte. Er wurde unser nächster Gast. Er unterhielt uns mit Erzählungen von seinen einfallsreichen Arbeitsmethoden – den Kamelen, in deren gewaltigen Schlünden man ganze Ladungen von Heroinpäckchen verstecken konnte, und all den Zirkustricks mit Verstecken in Stiefeln und Hüten und Regenschirmen und Spazierstöcken. Er war der erste, der nicht nur von der Schadenfreude sprach, die es bereitete, die puritanische Polizei und die beamteten Heuchler an der Nase herumzuführen – von denen viele, wie er sagte, von seinem Schmugglerring wußten und selbst Abnehmer seiner Ware waren –, sondern auch von dem anderen kleinen Vergnügen dabei: Geld, dem großen Geld. Er war wohlhabend, keine Frage, er kam in einem schweren Automobil und trug einen Astrachanmantel.
    >Natürlich<, sagte er, repräsentiere ich nur die bescheidene und respektable Seite des Schmugglergeschäfts, man könnte fast sagen, eine Beschäftigung für Damen, alles im dezenten Rahmen. Die härteren Burschen verschieben auch härtere Ladungen – nicht bloß Stoff für die Junkies, sondern Waffen – schwere Waffen für schwere Jungs, für die wirklich schweren Jungs. Ich könnte euch Grünschnäbeln da ein paar Namen nennen! Ihr solltet die Männer mal kennenlernen, die den Mumm haben, die Muttersöhnchen auszulachen, die vor Bischöfen auf die Knie fallen! Tja, ich könnte euch mit einem davon bekannt machen, wenn ihr wollt – wenn ihr einen Gast wirklich ohne Vorurteile bewirten wollt. Was mich angeht<, und damit hob er beschwörend die Hände, >was bin ich, was nicht schon meine Vorväter gewesen sind? Ein armer alter Händler, der armen, abgekämpften Menschen ein wenig Frieden auf chemischem Wege verschaffen will – letzten Endes der einzige Frieden, den es gibt.< Er seufzte tatsächlich und sah nun, wie alle Levantiner es von einer Sekunde auf die andere können, älter und müder aus als der vertrocknetste Pharao.
    Er verabschiedete sich bald darauf, doch vorher nannte er uns noch den Namen unseres nächsten Gastes – jemand, der sich als Elsässer ausgab. Er war sehr diskret, und wenn er sprach, dann baute er eine wunderbar rührselige Fassade auf, die uns begeisterte – es war schlechter Geschmack in Vollendung. Er sprach von seinem lieben Vaterland, dem Elsaß, er summte >Die Elsässer Berge so blau<, erzählte von seinem kleinen Volk, das um die Freiheit ringe, einem Volk, das Freunde brauche, und davon, wie einfach es für Liberale sei, Flugschriften zu drucken und Tränen zu vergießen und Versammlungen abzuhalten und nichts zu tun. >Handlungen, meine Herren,< sagte er, >Taten, nur damit zeigt man wahres Mitgefühle.<
    Von da kam er auf den illegalen Waffenhandel zu sprechen – keine Namen, lediglich Andeutungen, wo die großen Kämpfe um die Freiheit gefochten würden, und mit wessen Hilfe. Und auch hier, zum zweiten Mal, diesmal mit etwas größerem Nachdruck, war von Geld die Rede. Es sei ein ehrenhaftes, dabei aufwendiges Geschäft, doch Gott sei Dank (jawohl, in unserem Beisein wurde Gott dafür gedankt, und wieder delektierten wir uns an dieser Geschmacklosigkeit) fahre man, wenn man in einem so ehrenhaften Geschäft mit dem Rat des richtigen Landmanns – er gurrte regelrecht, so sehr freute ihn sein kleines Bild – das Feld bestelle, eine reiche Ernte ein. Natürlich, auf Anerkennung mußte man verzichten; man erwarte keine Dankbarkeit, selbst wenn die Seite, der man seine Hilfe angedeihen lasse, als Sieger hervorgehe. Man müsse also mit dem zufrieden sein, was er Provision nannte – und diese Provision bestand, wie wir erfuhren, aus der erklecklichen Summe von zweihundert Prozent Profit.
    Ich glaube, er war bereit,

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