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Das Geheimnis der Haarnadel

Das Geheimnis der Haarnadel

Titel: Das Geheimnis der Haarnadel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fitzgerald Heard
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indem wir uns Mühe, ganz außerordentliche Mühe gaben, immer selbst die ersten zu sein, die über uns lachten – über alles an uns, vom Verstand bis hin zu unserer Lust.
    Wir waren also wirklich mit unseren eigenen Ressourcen am Ende. Denn wenn alles ohne Ausnahme lächerlich ist, gibt es nichts mehr, was von wirklichem Interesse ist – und dann steht man an der Schwelle zum Wahnsinn. Da wir uns für nichts begeisterten, brauchten wir nur um so mehr Erregung. Doch wo um alles in der Welt sollten wir die finden? Ich glaube, Sankey selbst war es, der vorschlug, einen Club ins Leben rufen, zu dessen Diners wir kuriose Gäste einladen sollten. Jedes Mitglied unserer Gruppe mußte ich verpflichten, einmal im Monat einen wirklich außergewöhnlichen Menschen mitzubringen, der aus einem wirklich selten scheußlichen Bereich der Unterwelt stammen mußte. Der sollte dann der Ehrengast des Abends sein. Indem er uns aus seinem Leben erzählte, könnte er uns vielleicht für eine Stunde oder zwei von unserer quälenden Langeweile befreien, von unserer Sammlung von Tademas, Poynters, Fildes und Stones, die wir nicht mehr komisch fanden, von der Musik von Balfe und Sousa und dem Bemühen, zu empfinden, wie wunderbar absurd und entsetzlich inhaltslos sie war.
    Wir hatten in dem Raum, in dem wir zu dinieren pflegten – in den Neunzigern war es ein zweitrangiger Tanzschuppen gewesen –, ein Motto an die vergoldete Decke schreiben lassen. Wir verteilten die Worte in kufisch angehauchten Lettern rund um den Stucksockel, von dem der Kronleuchter herabhing. >Wenn’s Spaß macht, tu’ fast alles in der Welt, doch restlos alles tu’ für Geld.<
    Dieser neuen Idee verdankten wir es tatsächlich, daß unser müßiges Leben für etwa ein halbes Jahr in Schwung kam. Das Glück, so launisch es ist, blieb uns treu, und wir konnten mit einer kuriosen Entdeckung nach der anderen aufwarten, ohne daß wir selbst – was uns ja nur recht geschehen wäre – von jenen Wesen aus trüben Wassern, in denen wir gefischt hatten, gebissen worden wären.«
    »Tja«, meinte Mr. M. beinahe zu sich selbst, »es durchläuft verschiedene Stadien, zu diesem Schluß bin ich ebenfalls gekommen. Des weiteren habe ich herausgefunden, daß es drei Phasen sind, die in festen Abständen aufeinander folgen: Glück, Schicksalsschlag, Verhängnis.«
    Der andere nickte und fuhr fort. »Der erste dieser Fische, den wir angelten, war ohne Frage ein nach unseren Maßstäben vielversprechend dubioses Exemplar, aus hinreichender Tiefe gefischt, und er entsprach ganz den Vorstellungen, die wir von einem Ganoven hatten. Er hatte sich den sprechenden Namen Limey gegeben. Eines der zwielichtigeren Wochenblätter, die von dubiosen Anzeigen und noch dubioseren Preisausschreiben leben und so lange härter und immer härter am Wind segeln, bis Strafanzeige erstattet wird und sie ihr Erscheinen einstellen müssen, hatte sich seiner angenommen. Wöchentlich erschien aus seiner Feder etwas, das als unverblümte autobiographische Skizzen über seine Abenteuer bezeichnet wurde. Er versicherte uns, daß er Engländer sei. Limey, habe ich mir sagen lassen, ist der amerikanische Unterweltsausdruck für das, was anderswo als Brite bezeichnet wird. Und er brüstete sich damit, daß er den bezahlten Mord als florierendes Gewerbe betreibe. Genau genommen war er ein Straßenräuber, und gleichgültig ob er nun tatsächlich der tapfere Bursche war, für den er sich ausgab, oder nicht, so hatte er sich doch ohne Zweifel bemüht, die zweite Zeile des Mottos an unserer Decke in die Tat umzusetzen. Wir hatten seine Artikel – oder was ein >Ghostwriter< für ihn verfaßte – gelesen und waren entzückt von ihrem schlechten Stil und der noch schlechteren Moral. Doch wie verlogen das auch alles sein mochte, es blieb doch ein gewisser Hauch von authentischem Verbrechen. Wir freuten uns auf einen wirklich unterhaltsamen Abend.
    Er war ein schlaksiger Mensch, mit pickliger Haut, und unsere Weine mundeten ihm nicht. Was unsere Geschmacksnerven anging, so waren wir altmodisch geblieben und hielten uns an gute Jahrgänge; wären wir konsequent gewesen, so hätte es nur Gin und Ginger Ale, Schnäpse und Sirup geben dürfen. Doch hielten wir allerlei Alkoholika für Gäste bereit, und er bediente sich großzügig. Als er sich hinreichend entspannt hatte, zeigte er uns sein Waffenarsenal, auf dessen Griffen – denn er trug zwei Pistolen – er über seine Morde Buch geführt hatte. Vielleicht war es

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