Das Geheimnis der Haarnadel
unseren Beitrag für seine gute Sache entgegenzunehmen – denn er begriff, daß wir mehr Geld hatten als wir imstande waren auszugeben –, doch wir, grüne Jungs, die wir waren, hatten noch überhaupt nicht begriffen, was die zweite Zeile unseres Versleins bedeutete. Wir hatten uns beweisen wollen, daß nichts uns schockieren konnte, und da saßen wir nun und durchschauten nicht, daß alles sich um heißes Geld drehte. Als er fort war, brachte einer von uns das Thema zur Sprache, aber im Grunde waren die meisten von uns Angsthasen und fürchteten sich vor der Polizei, und deshalb kamen wir zu dem Schluß, daß er uns ohnehin nichts verraten hätte.«
Mr. M. schüttelte den Kopf. »Wie wahr, und es ist eine gute Stelle, um innezuhalten und über diese bemerkenswerte Geschichte nachzudenken – denn so darf ich sie wohl nennen, und ich habe im Laufe meines Lebens manches zu hören bekommen. Und Jane wartet bereits in der Kulisse, >das Pendel schlägt der Minuten glücklichen Takt<.«
Es folgte ein vorzügliches Mittagessen, das mir Appetit darauf machte, mehr von dieser seltsamen Geschichte zu erfahren, die ja irgendwie – ich verstand noch nicht wie, doch Mr. M. schien schon eine Ahnung zu haben – dazu führte, daß wir alle hier zusammengekommen waren, an jenem Ort, der vor so kurzem Schauplatz eines Mordes oder Selbstmordes gewesen war.
»Ich glaube«, nahm Milium seine Erzählung wieder auf, »unser elsässischer Massenmörder war zu dem Schluß gekommen, daß wir Schwächlinge waren, und so erhob er sich mit den Worten: Wahrscheinlich finden Sie meine Geschäfte nicht allzu interessant und fast ein wenig zu anständig. Das sind sie auch, ich muß es zugeben; Profit und Patriotismus sind im Grunde meine beiden einzigen Interessen. Sie hingegen zählen ja eher zur jeunesse dorée, da werden Sie die Skurrilitäten eines Luxusgeschäftes interessanter finden als meinen einfachen, stahlharten Handele.«
Es lag so viel Spott in seiner Stimme, daß Sankey, der, glaube ich, der klügste und härteste unter uns war, ihm entgegnete: >Nun, immerhin laufen Sie ständig Gefahr, erkannt zu werden<, und da sein Gegenüber sich anschickte, die Gelegenheit zu ergreifen und uns noch weiter zu verspotten, schloß Sankey nicht ohne Eleganz: >und von der neuen Nation, welche es auch immer sein mag, zum Helden gekürt zu werden, die Brust mit nagelneuen Orden dekoriert zu bekommen, und, keine Frage, zum Außenminister ernannt zu werden!<
Unser Gast erkannte, daß der Spaß sich gegen ihn zu wenden begann, und schnaubte: >Wenn Ihnen soviel daran liegt, Ihre Nasen mitten in das zu stecken, was der Welt noch immer als übelster aller Gestänke gilt, dann fragen Sie doch Ihren Landsmann Crofts! Ich gebe mich mit jedem ab, wenn ein Profit dabei herausspringt. Und für meine Begriffe geht es ja nur darum, daß die harten Burschen, die unten sind, sich an die harten Burschen heranmachen, die oben sind. So ist das Leben, ein einziger Kampf. Doch außer uns, die die Geschäfte des Tigers betreiben, gibt es auch noch die Hyänen. Da Sie ja – wie im Märchen – das Fürchten lernen wollen, möchten Sie vielleicht einmal jemanden kennenlernen, den ich für eine menschliche Hyäne halte.<
Vielleicht glaubte er, wir würden zurückschrecken, doch selbst wenn wir das gewollt hätten, hätten wir es nicht gekonnt. Wir konnten ihn doch nicht mit sämtlichen Trümpfen in der Tasche ziehen lassen. Wir mußten wieder die Oberhand gewinnen. Wiederum war es Sankey, der für uns sprach.
>Wir wollen in unserem Zoo alles sammeln, was auch die Arche sammelte. Wie unser geliebter Volksdichter Kipling nennen wir »nichts gewöhnlich, nichts unrein«, es sei denn, es langweilt uns.<
>Also gut<, schnaubte unser Gast, der sich schon zum Gehen wandte, >wenn Sie den Mumm haben, laden Sie Crofts ein – hier ist die Adresse. Ständig versucht er, seine schmutzige Fracht durch meine Kanäle zu schleusen, aber noch bin ich nicht so arm dran, daß ich ihn auf meine Spur lasse. In meiner Welt muß man tolerant sein, um an die Einkünfte zu gelangen, die uns selbstlosen Patrioten zustehen, uns, die die scheinheiligen Liberalen >Händler des Todes< nennen. Aber noch habe ich meine Nase, und Crofts möchte ich nicht in meiner Nähe haben.<
Wir kicherten, als unser Gast sich so plötzlich in den Tonfall der hohen Moral verstiegen hatte, und er, nun vollends in Wut geraten, schleuderte uns eine Karte hin und verließ uns mit den Worten: >Ich hoffe nur, er wird
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