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Das Geheimnis der Haarnadel

Das Geheimnis der Haarnadel

Titel: Das Geheimnis der Haarnadel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fitzgerald Heard
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Darlehen bat. >Laufen die Geschäfte nicht mehr so gut wie früher?< fragte ich.
    Ein Wutausbruch war die Folge, in dem er >die verfluchten Heuchler, diese Liberalem beschimpfte. Da konnte ich zwei und zwei zusammenzählen, und die Summe war korrekt. Ich hatte in der Zeitung gelesen, daß es Anfragen im Parlament und Aufruhr bei einigen Missionsversammlungen gegeben hatte. Solche Einzelheiten erregten meine Aufmerksamkeit nun längst nicht mehr so sehr wie früher, als ich selbst noch in dem Geschäft engagiert war, doch die Meldungen kamen mit einer Regelmäßigkeit, die ich nicht übersehen konnte. Wie gesagt, Sankey und ich hatten nie über Geld gesprochen – das war der eine Punkt, in dem wir uns zurückhielten, denn dieser Punkt war unserem Grüppchen heilig gewesen.
    Und nachdem es über geschäftliche Dinge zum Bruch zwischen uns gekommen war, wäre es nur um so schwieriger gewesen.
    Dann sah ich einen Artikel über eine Strafexpedition, die Menschenhandel im großen Stil, betrieben mit ausländischem Kapital, aufgedeckt hatte. Ich muß zugeben, daß ich erleichtert war, als ich las, daß die Razzia im Londoner Büro zu spät gekommen sei und daß es einem Neger, der unter dem Namen Johnstone aufgetreten sei, gelungen sei zu entkommen und zuvor sämtliche Papiere der Firma zu verbrennen.
    Doch Sankey vermochte meine Erleichterung nicht zu teilen. Er war zweifelsohne ruiniert. Ich hätte ihn nicht untergehen lassen, nicht einmal, wenn ich nicht, wie es ja der Fall war, in mehr als wohlhabenden Verhältnissen gelebt hätte. Und so zahlte ich, praktisch ohne ein Wort, regelmäßig hohe Summen auf sein Bankkonto ein.
    Natürlich behandelte er mich deswegen keineswegs freundlicher, doch verschaffte es meinem pechschwarzen Gewissen ein kleinwenig Erleichterung. Aber mir war klar, daß ich irgendwie noch mehr für ihn tun mußte. Daß ich aus diesem Morast herausgekommen war und wußte, daß es Sankey – wenn auch unfreiwillig – nun ebenfalls gelungen war, wischte noch nicht den Schmutz ab, mit dem ich mich besudelt hatte.
    So ging es einige Jahre, und, um ehrlich zu sein, Sankey besserte sich nicht im geringsten. Im Gegenteil, seine Abneigung nahm geradezu pathologische Ausmaße an. Doch ich ließ nicht locker, ich war entschlossen, meine Schuld auf die einzige Weise wiedergutzumachen, die mir offenstand – wenn man einmal vom Gefängnis absieht, dessen Tore sich, bei meinem Alter, beinahe für den Rest meines Lebens hinter mir geschlossen hätten.
    Vielleicht bekam es gerade einem Menschen wie ihm nicht gut, wenn man sich ihm gegenüber so verhielt. Und ich konnte sicher sein, daß er in seinem Wahn alles, was ich tat, auf seine eigene, finstere Weise deuten würde. Natürlich konnte er es sich nicht anders vorstellen, als daß ich für ihn aufkommen müsse, weil ich mich vor seiner Macht, mich zu erpressen, fürchtete.
    Ein- oder zweimal deutete er das fast unverhohlen an. Ich versuchte einen Scherz zu machen und meinte, daß ich ja genausoviel über ihn wisse wie er über mich, und als er lachte, versuchte ich ihm begreiflich zu machen, daß das, was ich für ihn tat, eine Art Wiedergutmachung sei und durchaus mit einer gewissen Sympathie geschehe, doch seine Antwort, meine Heuchelei drehe ihm den Magen um, zeigte mir, wie krank er in seinem Innersten in Wirklichkeit war. Ich kam zu dem Entschluß, daß er allen Ernstes glaubte, ich sei gezwungen, ihn zu unterstützen, weil ich ihn fürchtete. Er schien völlig außerstande, es anders zu deuten. Ich nahm an, daß dies von seiner Warte aus die einzige Möglichkeit war, den Dingen eine Deutung zu geben, mit der er sich selbst als einigermaßen intakten Menschen begreifen konnte und die ihm die Möglichkeit ließ, sich – und darauf war er angewiesen – mir überlegen zu fühlen.«
    Mr. M. bestätigte mit einem Nicken. »Spinoza hat es auf die klassische Formel gebracht: >Der Mensch richtet sich selbst.<«
    »Nun, in meinem eigenen Falle habe ich die Wahrheit dieses Satzes bewiesen«, fuhr Milium fort. »Zwei Jahre lang verharrten wir an diesem toten Punkt – zwei Jahre, in denen er in immer tiefere Düsternis versank und ich einsehen mußte, daß alles zu nichts führte und daß es doch keinen Ausweg gab. Denn ich war nicht bereit, seiner wahnwitzigen Sicht der Dinge nachzugehen. Ich hätte ins Ausland reisen können, ohne eine Adresse zu hinterlassen. Doch ich wollte, um meine eigene Integrität wiederzuerlangen, diese Chance, ihm zu helfen, nicht

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