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Das Geheimnis der Haarnadel

Das Geheimnis der Haarnadel

Titel: Das Geheimnis der Haarnadel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fitzgerald Heard
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sollte, eines jeden Sinnes für sich.< Doch mehr davon später. Zunächst müssen wir mit Ihrer Geschichte weiterkommen.«
    »Schließlich«, fuhr Milium fort, »erhob sich Sankey ohne ein Wort und verließ das Zimmer. Er wollte die Tür hinter sich zuschlagen, doch sie federte zurück und stand nur angelehnt. Deshalb konnte ich mit anhören, wie er nach Jane rief, und als sie kam, mußte ich hören, wie er ihr auftrug, Hut und Mantel zu nehmen und einige Briefe einzuwerfen – Briefe, die er in der Tasche gehabt haben mußte, als er aus dem Zimmer ging.
    Es war eine ungemütliche Nacht – eine von den Nächten, wo die westlichen Stürme vom Atlantik her auf den Ostwind aus den Steppen treffen, und hier in unserem Grenzland gibt es dann Hagel und Schneeregen, einen Wind, der ebenso unstet wie schneidend ist, Regen, der einen bis auf die Haut durchnäßt und bis auf die Knochen gefrieren läßt. An so einem Abend schickt man niemanden nach draußen, aber es gab einen kleinen Briefkasten an der Hauptstraße eine halbe Meile von hier, der schon am frühen Morgen geleert wurde, und offenbar hatte Sankey beschlossen, daß seine Briefe mit dieser Post abgehen mußten. Heute bin ich sicher, daß in seinem Kopf eine Entscheidung gefallen war und er rasch und im verborgenen handeln wollte. Ich hörte Jane sagen: >Also, Sir, da muß ich mich von Kopf bis Fuß umziehen< und dann abwartete, in der Hoffnung, er werde es ihr erlassen. Doch er entgegnete nur: >Na, dann aber schnelle Und damit kehrte er zurück ins Zimmer.
    Danach blieb ich höchstens noch fünf Minuten. Ich war ärgerlich und fühlte mich unwohl. Er kümmerte sich nicht um mich, saß am Feuer zusammengekauert – wandte nicht einmal den Kopf und sagte kein Wort, als ich ihm kurz eine gute Nacht wünschte. Ich schloß die Tür und hatte mich eben in meinen Mantel gehüllt und die Haustür geöffnet, als Jane von ihrer Seite des Hauses in den Flur hinaustrat. Es war eine Schande, sie bei solchem Wetter hinauszuschicken, denn der Wind blies eisig und dröhnte wie geblasenes Blech. Wortlos nahm ich ihr die Briefe aus der Hand, ließ sie einfach stehen und schloß die Tür hinter mir.
    Dann durchzuckte mich ein Gedanke: Ich brauchte doch ebensowenig wie sie durch Schlamm und Schneematsch zu stapfen, nur um für ein derart selbstsüchtiges Ungeheuer eine frühere Post zu erreichen! Über der hiesigen Tür gibt es, wie Sie gesehen haben, ein Oberlicht, und da die Flurlampe ganz hinaufgezogen war, hatte man auf der obersten Stufe genug Licht zum Lesen. Nur um mich zu vergewissern, daß die Briefe nicht allzu dringend aussahen – womöglich eine überfällige Steuererklärung oder dergleichen –, warf ich einen Blick darauf und beschloß, daß sie, wenn es sich nur um gewöhnliche Briefe handelte, bei einem solchen Sturm bis zum folgenden Tag warten konnten. Ich drehte sie in den Händen um. Es waren nur drei: die ersten beiden waren an die zwei jungen Männer gerichtet, die ich erst am Tag zuvor hier im Hause kennengelernt hatte; der dritte ging an eine Adresse in Afrika, und es wurde eine Poststation am oberen Kongo genannt. Als Beweismaterial war es ausgesprochen dürftig. Mit einiger Sicherheit wäre es weitaus vernünftiger von mir gewesen, von dem Unheil, das sich da zusammenbrauen mochte, die Finger zu lassen.
    Ich ging die Treppe hinunter, und als ich unten angekommen war, stand mein Entschluß fest. Ich überquerte die Straße und begab mich unverzüglich in mein Haus. Meine Mrs. Sprigg hatte am Wohnzimmerfeuer einen Teekessel für mich bereitgestellt. Ich hielt die Rückseiten der Umschläge nacheinander über die dampfende Tülle, und nacheinander kräuselten sich die gummierten Laschen auf. Ich legte sie vorsichtig ab, zog die Briefe heraus und las sie. Die beiden ersten waren in ihrem Wortlaut beinahe identisch. Sie werden es schon erraten haben. Er bot ihnen an, Teilhaber der wiederauferstandenen Oberkongo-Arbeitsvermittlung zu werden, und er forderte sie auf, für ihn, der ihnen den Weg zu diesen so einträglichen Geschäften gebahnt hatte, eine beträchtliche Anzahl Aktien zu erwerben. Offenbar hatte er sie gut genug ausgehorcht, um sicher zu sein, daß sie auf dieses Angebot eingehen würden, und das beste Anzeichen, wie überzeugt er war, daß sie begriffen hatten, wer es gewesen war, der sie auf den richtigen Weg zum großen Geld gebracht hatte, war die Höhe der Kommission, die er für sich forderte.
    So überraschte mich der dritte Brief denn nicht.

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