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Das Geheimnis der Haarnadel

Das Geheimnis der Haarnadel

Titel: Das Geheimnis der Haarnadel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fitzgerald Heard
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jenen Schnappmechanismus über der Tür erklingen lassen«, und er wies über die Schulter zur Gartenmauer hinter ihm, »der wie eine riesige Mundorgel klang. Außerdem sah sie den Schatten, den das Laubwerk über der Tür warf, als es sich in einem Windstoß bewegte. Und so fügte sie ihrem ersten, auf Wunschdenken basierenden falschen Schluß einen zweiten hinzu, kombinierte die beiden Schlüsse und war überzeugt, daß die Tür sich geöffnet hatte. Sie hörte, lassen Sie mich das noch einmal sagen, ein >Plong<. Die Position, in der sie sich befand, war denkbar ungeeignet, unsere einzige Methode anzuwenden, den Ausgangspunkt eines Geräusches zu bestimmen, das biaurale Hören. Denn sie blickte hinaus in den Garten, und das Geräusch kam nun einmal nicht von ihrer rechten, sondern von ihrer linken Seite.«
    »Ich bitte um Entschuldigung«, unterbrach Milium mit ruhiger Stimme und in sachlichem Ton, »ich bitte um Entschuldigung, aber das leuchtet mir nicht ein. Wenn ihr linkes Ohr dem… dem Ursprung des Geräusches zugewandt war, dann war sie doch genau am rechten Ort, um die Richtung zu bestimmen?«
    »Ein guter Einwand«, räumte Mr. M. ein, »aber Sie haben nicht an das Echo gedacht. Was für die Malerei gilt, gilt auch für die Akustik: Die Licht- oder Tonausstrahlung einer jeden Quelle wird zum Teil zurückgeworfen, und das in einem solchen Maße, daß wir oft, wie in diesem Falle, glauben, die Oberfläche, von der das Echo reflektiert wird – in unserem Falle die Backsteinwand hier hinter uns –, sei der eigentliche Ausgangspunkt des Tones. Die Schwingungen, denen wir hier auf der Spur sind, kamen von einer Position oberhalb und hinter derjenigen Janes. Natürlich hörte sie dann als erstes und vielleicht einziges das Echo, das von der Mauer zurückgeworfen wurde und somit zuerst auf ihr rechtes Ohr traf!«
    Milium verbeugte sich, und ich nickte mit wachsender Anerkennung.
    Mr. M. fuhr fort: »Die Tatsache, daß Jane wirklich ein derartiges Geräusch gehört hatte und sich doch in ihrer Deutung irrte, woher der plötzliche sirrende Laut kam – dieser Gedanke war es, der plötzlich, wie eine Note, die einen Akkord zur Auflösung bringt, die ganze Angelegenheit in meinen Gedanken Form annehmen ließ. Und dann, wie es zu geschehen pflegt, wenn man einmal den richtigen Ansatz gefunden hat, paßte alles zusammen.
    In der Laube war mir durch den Kopf gegangen, daß es eine seltsame Jahreszeit war, um Bäume zu schneiden, wo doch die Säfte schon steigen. Ich glaube, heute können wir sagen, da Sankey verrückt genug war, die Henne zu töten«, und er lächelte milde zu Milium hinüber, »die ihm goldene Eier legte, warum sollte er da nicht Bäume beschneiden, kurz bevor sie grünten! Aber das wußte ich zu jenem Zeitpunkt noch nicht. Und je mehr ich mich umsah, desto merkwürdiger fand ich es, und desto mehr Hoffnung schöpfte ich deswegen auch, auf eine wirklich bemerkenswerte Geschichte zu stoßen. Denn als nächstes fiel mir auf, als ich mir die Laube ansah, daß die Zweige zwar durchaus mit einigem Geschick getrimmt waren, daß es aber eine häßliche Stelle gab, an der ein regelrechtes Loch in das Blätterdach geschnitten war. Als wir unten an der Tür waren, sah ich mich deshalb unter den entfernten Zweigen um, die dort lagen, und entdeckte sogleich diesen einen, recht großen Ast, der amputiert worden war. Zuvor, als ich hier auf dem Sitzplatz saß, hatte ich mir schon das Dachfenster besehen, das durch diese Amputation entstanden war. Da sah ich, wie ich es jetzt ebenfalls tue, daß es wie durch ein Bullauge einen winzigen Blick auf die Oberseite der Ecke des gegenüberliegenden Hauses eröffnet – aber nicht ganz bis hinauf zur Brüstung. Um die Brüstung selbst zu sehen« – Mr. M. ließ sich tiefer in seinen Sitz sinken –, »muß ich, wie Sie sehen, mich klein machen, bis mein Kopf an die Stelle kommt, wo sich noch einen Moment zuvor, als ich aufrecht saß, mein Herz befand!«
    Ich sah zu, wie er es demonstrierte, doch Mr. Milium wandte sich wieder ab.
    »Und dann kam noch etwas hinzu, eine wirklich hübsche Sache – etwas, das mich Hoffnung schöpfen ließ.« Mr. M. blickte hinüber zu Milium und wiederholte: »Echte Hoffnung! Doch zunächst der Beweis. Nun blieb mir nur noch, nach dem zu suchen, von dem ich einigermaßen sicher war, daß ich es finden würde. Der Auslöser war wiederum unser hochgebildeter Inspektor, der noch einmal demonstrierte, daß selbst die feinste Beobachtungsgabe eines

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