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Das Geheimnis der Haarnadel

Das Geheimnis der Haarnadel

Titel: Das Geheimnis der Haarnadel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fitzgerald Heard
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Menschen niemals mit dem Nutzen gleichgesetzt werden darf, den er aus dieser Gabe zieht – daß man die Deutung, die er ihr gibt, von seiner eigentlichen Entdeckung unterscheiden muß. Und dazu kommt noch, daß gerade weil er so gebildet war, seine Deutung abwegiger war als selbst diejenige Janes. Was den Band mit den lateinischen Klassikern anging, waren er und Jane einer Meinung. Der Inspektor war der Überzeugung, daß er der Beweis für seine Selbstmordthese war, und ich war ebenso überzeugt, daß der Fall damit neu aufgerollt wurde, und ich kam zu neuen Überzeugungen und neuer Hoffnung – denn wie ich gleich zeigen werde, wies er mir nicht nur die Richtung, in der ich suchen, sondern gab mir auch den ersten Aufschluß über das Motiv und den Charakter, den ich finden sollte. Deshalb sprach ich auch«, und Mr. M.s Tonfall wurde sanft, »ganz bewußt von >Hoffnung< und deshalb amüsierte es mich nicht nur, sondern ich war glücklich darüber, daß der hochgebildete Inspektor gerade durch seine eigene Klugheit die Fährte verloren hatte. Und hier spielte nun jener Sinn, der Geruchssinn, in einem anderen und wortwörtlichen Sinne eine Rolle.
    Mein nächstes Büchlein, ein Begleitband zu dem über Geräuschanalogien, von dem ich vorhin sprach, wird von Geruchsanalogien handeln. Doch diese Sammlung von Synolfaktorien, wenn ich denn dies häßliche Wort prägen muß, steckt noch in den Anfängen. Ich habe jedoch einige Verbindungen zwischen Dingen finden können, bei denen ein gewöhnlicher Mensch auf den ersten Blick, wenn auch nicht beim ersten Schnüffeln, sagen würde, daß es keinerlei Verbindung gibt – zum Beispiel, daß rote Paprikaschoten (ganz ausgezeichnet zu Kalb a la Milanaise) beim Kochen genau den gleichen Geruch verbreiten wie der abscheuliche Qualm brennenden Gummis!
    Natürlich wird sich jeder, der dieses Gebiet erforschen will, als erstes den Tabak vornehmen. Zunächst einmal muß man die Nase trainieren, so daß sie schon beim ersten Schnüffeln bestimmen kann, welchen Tabak ein Mann raucht oder rauchte. In dem Augenblick, in dem ich das Zimmer dort oben betrat« – Mr. M. wies die Treppe hinauf zum Haus »wußte ich, daß wir es hier mit einem Latakia-Raucher zu tun hatten, und ein Latakia-Raucher befindet sich, könnte man sagen, am äußersten Ende der Skala. Ich will damit sagen, daß er, da es sich ja um den stärksten Tabak überhaupt handelt, wohl kaum jemals wieder zu einer schwächeren Sorte zurückkehren wird, ebensowenig wie ein Mann, der einmal begonnen hat zu inhalieren, jemals freiwillig wieder den feinen Geschmack genießen wird, den man bei einem guten Tabak einfach auf der Zunge schmeckt. Und auch in einem anderen Sinne ist Latakia die Endstation eines Weges, denn wie Sie wahrscheinlich wissen, sind viele Sorten davon stark mit Opium getränkt. Der Mann, der zur stärksten unter den kleinasiatischen Tabaksorten greift, ist schon auf mehr als halbem Wege zu dem Rauch, der halb Asien erstickt hat – dem Rauch des Schlafmohns.
    Meine Nase verrät mir also, daß der ehemalige Bewohner dieses Hauses rauchte, und daß er nur eine Sorte rauchte. Wenn mir der Geruchssinn diese Information erst einmal verschafft hat – denn der durchdringende Geruch dieses Tabaks ist, wie die Hausmädchen sagen, schwer herauszubekommen –, kann ich meine Augen auf die Suche nach anderen Spuren schicken, sofern ich das für notwendig erachte, um weiterzukommen. Das ist die Stelle, an der, wie Sie, Mr. Silchester, sich erinnern werden, der Inspektor mit verständlichem Triumph jenes Buch hervorzog, von dem er, anders als Jane, sehr wohl wußte, worum es sich handelte, und das er als Beleg für seine Selbstmordtheorie anführen konnte. Denn er entdeckte den Passus über ein schmerzloses felo-de-se, und er fand sie, weil Tabakasche hineingerieselt war – wie es der Fall ist, wenn ein achtloser Raucher oder ein Leser, der von seiner Lektüre gefesselt ist, über einer Passage sitzt und, ohne es zu bemerken, die erkaltete Asche hinunterfallen läßt, die in der Ritze zwischen den Blättern haften bleibt. Die Asche selbst, gerade wenn sie zwischen den Blättern zerrieben ist, hätte mir natürlich keine hinreichenden Aufschlüsse liefern können, so sehr sich auch der Meister aller Meister unseres Faches darauf zu verlassen pflegte. Bei allem Respekt vor der Asche unseres großen Stammvaters habe ich doch, unter uns gesagt, immer meine Zweifel gehabt, ob selbst jemand wie er in der Lage war, so unfehlbar

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