Das Geheimnis der Hebamme
wandte sich dann an Kuno und seinen Freund. »Ihr zwei bleibt.«
Mit mürrischen Gesichtern und hängenden Köpfen zogen die anderen von dannen.
»Was soll das?«, schnappte Kuno. »Wir haben wichtige Dinge zu bereden!«
»Genau darum geht es.« Sie erklärte den beiden, was ihr klar geworden war. »Ihr dürft jetzt nichts Unüberlegtes tun. Am besten, ihr haltet für die nächste Zeit eine halbe Meile Abstand von Hartwigs Leuten.«
»Du hast gesagt, wir könnten etwas tun«, drängelte Kuno, den es kaum auf seinem Platz hielt.
»Das könnt ihr. Haltet Ausschau nach Christian! Er wird bald kommen. Ihr müsst ihn warnen, bevor er das Dorf betritt. Ich glaube, dass auch auf ihn hier eine Falle lauert. Aber seid vorsichtig, lasst euch nicht erwischen.«
Die beiden sahen sich an und nickten. Doch als sie aufspringen wollten, hielt Marthe Bertram kurz zurück. »Zu keinem ein Wort, auch nicht zu deinem Vater.«
»Der wäre der Letzte, dem ich etwas davon sagen würde«, brachte Bertram voller Hass und Verachtung heraus. »Der Feigling! Nicht ein Wort hat er heute gesagt, um den anderen zu helfen. Er hat uns alle im Stich gelassen, der Verräter!«
Weil sie vor Einbruch der Dunkelheit nichts für Jonas und Karl unternehmen konnte, wollte Marthe zunächst zu Emma. Doch schon auf dem Weg zum Haus des Schmiedes sah sie die Schwangere zusammengekrümmt vor dem Block hocken, in den Jonas eingeschlossen war.
Entschlossen lenkte sie ihre Schritte dorthin. So konnte sie, ohne mehr als nötig aufzufallen, nach den Gemarterten sehen. Das zerfetzte Fleisch auf ihren Rücken, die qualvolle Haltung im Block und die sengende Sonne mussten ihnen unbeschreibliche Schmerzen bereiten. Keiner von ihnen würde das drei Tage überleben, selbst wenn es ihr gelang, ihnen nachts heimlich wenigstens etwas Wasser zu bringen.
Karl hielt sich tapfer und versuchte sogar, ihr zuzulächeln, als sie sich neben Emma setzte und sie umarmte. Aber das wurde eine so klägliche Grimasse, dass Marthe am liebsten zu weinen begonnen hätte.
Jonas dagegen war schon wieder oder immer noch bewusstlos und trotz der sengenden Hitze totenbleich. Durch den Verband war Blut gesickert.
»Komm mit mir, Emma, du kannst hier nichts für ihn tun«, sagte Marthe sanft. »Denk an dein Kind.«
»Aber ich kann ihn doch nicht allein lassen«, schluchzte Emma. »Du siehst doch auch, dass er stirbt. Falls er noch malzu sich kommt, soll er mich wenigstens ein letztes Mal gesehen haben.«
Marthe zog Emma vorsichtig hoch und richtete ihren Blick auf den Mann, der die beiden Eingeschlossenen bewachte.
»Habt Erbarmen! Ihr Mann ist dem Tod näher als dem Leben. Bittet Euren Herrn, dass ich wenigstens die Wunde am Kopf neu verbinden darf.«
»Nichts da«, entgegnete die Wache grob. »Schert euch fort, ihr Weiber! Und denkt daran, was euer Gebieter Randolf gesagt hat: Wer denen da hilft, hat die gleichen Strafen zu erwarten.«
Er grinste breit und entblößte dabei schwarze Zahnstummel. »Am Pfahl ist ja wieder Platz.«
»Komm.« Marthe zog Emma mit sich. »Ich werde mit Hartwig sprechen«, redete sie leise auf sie ein. »Aber du musst dich jetzt eine Weile hinlegen, damit dein Kind keinen Schaden nimmt.«
Behutsam führte sie Emma in ihr Haus und beauftragte Marie, nach Emmas Töchterchen zu sehen. Dann atmete sie tief ein, durchquerte den Bach und bat einen der Knechte um Einlass bei Hartwig.
»Was willst du?«, knurrte der Verwalter und musterte sie mit seinen winzigen Augen.
Wie mit Engelszungen redete sie auf den Feisten ein, wenigstens Jonas’ Kopfverletzung versorgen zu dürfen, aber vergeblich. Mit unübersehbarer Genugtuung erinnerte auch Hartwig sie daran, was jedem drohte, der den Männern im Stock half.
»Vielleicht lasse ich mich ja erweichen, wenn sein Weib mich heute Nacht um Nachsicht bittet«, rief er ihr nach, als sie schon an der Tür war.
Angewidert verließ Marthe das Haus.
Während sie über den Hof ging, hielt sie Ausschau nach Johanna.Sie entdeckte sie auf einem Holzklotz sitzend, vor sich mehrere tote Hühner, die gerupft werden mussten. Entschlossen lenkte sie ihre Schritte dorthin, setzte sich neben sie und begann, eines der Hühner zu rupfen. Die Szene sah unverdächtig aus, denn niemand konnte ihr verwehren, dem Mädchen bei der Arbeit zu helfen.
»Heute Nacht gehe ich und bringe Karl und Jonas Wasser«, verkündete Johanna entschlossen.
Marthe erschrak. »Das darfst du nicht, das ist viel zu gefährlich.«
Die Achtjährige
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