Das Geheimnis der Hebamme
schnitten, wandte sich Bartholomäus zu Randolf und donnerte: »Ruchloser! Ich werde den Bischof bitten, Euch für diese Bluttaten zu exkommunizieren!«
»Wegen eines Diebes und einer Hexe?« Randolf lachte kurz auf. »Ich fürchte, da werdet Ihr mehr Schwierigkeiten bekommen als ich«, meinte der Ritter mit eiskalter Stimme. Dann ließ er sich sein Pferd bringen und ritt mit seinen Leuten davon.
Marthe war zu Grete gestürzt und bettete den Kopf der Toten in ihren Schoß. Betäubt von dem Geschehen und dem Entsetzen um sie herum schwankte ihr Oberkörper hin und her.
»Warum hast du das getan?«, flüsterte sie Grete zu. Aber sie kannte die Antwort. Sie selbst hatte vortreten und Randolf verfluchen wollen, doch Grete hatte ihre Absicht erraten, sie zurückgestoßen und gezischt: »Lass mich das tun. Du musst den anderen helfen.«
Kuno hockte sich neben sie und griff nach der Hand seiner toten Ziehmutter.
»Dafür werde ich ihn töten«, stieß er hasserfüllt zwischen den Zähnen hervor.
Das weckte Marthe aus ihrer Betäubung. »Damit reißt du dich und uns alle mit in den Tod«, fuhr sie ihn an.
Mit gesenkter Stimme sprach sie weiter: »Wenn du tun willst, was sie gewollt hätte, dann hilf mir, Jonas und Karl zu retten und Christian zu warnen. Aber zuerst werden wir sie ins Haus tragen und aufbahren.«
Sie winkte Martin heran, doch der zögerte.
»Sie ist deine Mutter«, rief Marthe zornig. »Willst du, dass sie hier liegen bleibt?«
Gretes Ältester blickte sich ängstlich um. Doch niemand schien sie zu beobachten. Hartwigs Leute waren auf ihre Seite des Baches gegangen. Schließlich hob er allein den Leichnam seiner Mutter auf und trug ihn ins Haus.
Marthe übernahm die Leichenwäsche. Als sie fertig war und ein Gebet für die Tote gesprochen hatte, sagte sie leise: »Verzeih mir, Grete. Ich würde gern bei dir wachen. Aber so viel ist noch zu tun.«
Dann wischte sie sich die Tränen ab und ging hinüber zu Berthas Haus.
Auf Anweisung des Bergmeisters hatten zwei kräftige Männer Guntrams Leichnam ins Haus getragen und auf den Tisch gelegt. Er selbst hatte Bertha aufgeholfen und sie gestützt, während sie ins Haus zurückkehrten. Dort sprachen Bartholomäus und Bergmeister Hermann gemeinsam ein Gebet für Guntrams Seele.
Griseldis hielt Bertha fest, die tränenüberströmt und stumm in ihren Armen lag.
Marthe mischte einen starken Schlaftrunk und schob den Becher zu Bertha. »Trink das. Um deinen Sohn kann sich heute jemand anders kümmern.« Sie wusste, vom nächsten Tag an würde der kleine Christian das Einzige sein, das Bertha noch Halt gab, aber diese Nacht brauchte sie einen tiefen Schlaf, den ihr nur ein Heiltrank verschaffen konnte.
Der Bergmeister räusperte sich. »Ich glaube den Worten deines Mannes. Guntram war kein Dieb. Wir werden herausfinden, wer das Silber bei euch versteckt hat«, sagte er. »Die Bergbruderschaft wird dich unterstützen. Wenn du willst, kannst du ab morgen an der Scheidebank arbeiten. Dein kleiner Sohn und du, ihr müsst keinen Hunger leiden. Und wenn du willst, wird sich sicher auch bald ein Mann finden, der dich heiratet und für euch sorgt.«
Bertha schien nichts davon gehört zu haben. Sie strich sich über das verweinte Gesicht und sagte immer wieder mit tonloser Stimme: »Warum nur? Warum gerade er?«
Ja, dachte Marthe. Warum er.
Warum diese drei.
Guntram, Jonas und Karl. Mit einem Schlag hatte Randolf die drei Männer aus dem Weg geräumt, die am mutigsten waren und am treuesten zu Christian standen. Waren sie unschädlich gemacht, würde niemand mehr Widerstand leisten.
Der Bergmeister und seine Leute waren an das Bergrecht gebundenoder an das, was Randolf dazu erklärte. Und weder Hildebrand noch sonst jemand würde es wagen, sich Randolf zu widersetzen, auch nicht Martin, der nur noch Hermanns Tochter im Kopf hatte und aus Feigheit beinahe seine tote Mutter im Stich gelassen hätte.
Aber was war mit Christian und Lukas? War Christian vielleicht sogar schon tot? Nein, das hätte sie gespürt. Außerdem hatte Randolf gesagt, Guntrams Leiche solle als Willkommensgruß für Christian an der Linde hängen. Er konnte jeden Moment hier eintreffen, wenn Randolf auch schon vom Hoftag zurück war.
Aber da war noch jemand …
Ohne ein Wort lief sie hinaus in den kleinen Garten hinter Gretes Haus. Richtig, da saßen Kuno, Bertram und ihre Jungenbande mit finsteren Gesichtern zusammen.
»Schert euch an die Arbeit – sofort«, fuhr sie die Jungen an und
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