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Das Geheimnis der Hebamme

Titel: Das Geheimnis der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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Geschick im Umgang mit Pferden und ihr strikter Einsatz für die ritterlichen Tugenden hatten sie zu Freunden gemacht – und zu erklärten Gegnern jener anmaßenden Söhne mächtiger Ritter, die sich wie Randolf ohne Rücksicht auf den Ehrenkodex der Ritterschaft nahmen, was sie wollten.
    Und während Raimund nur noch Augen für seine junge Frau hatte und Christian nach wie vor um Luitgard trauerte, ließen sich die Brüder Richard und Gero kein Liebesabenteuer entgehen, auch wenn sie die Namen ihrer zahllosen Eroberungen stets diskret verschwiegen.
    Jeder von ihnen würde bedingungslos sein Leben den anderen anvertrauen. Bei Christians letztem Aufenthalt in Meißen hatten sich die Ereignisse überstürzt, doch nun war endlich Zeit für ein ausgiebiges Gespräch. Sie vereinbarten, sich während der Reise aufzuteilen. Die einen würden Hedwig nicht von der Seite weichen, die anderen den Astrologen im Auge behalten, der mitsamt seinem Gehilfen und diversen Apparaturen mit dem Tross reiste. Während der Zeit, die Christian in seinem Dorf verbracht hatte, waren seine Freunde dem Schwarzgewandeten unübersehbar auf den Fersen geblieben. Doch einen Anhaltspunkt, wer Marthe in der Burg überfallen haben könnte, hatten sie nicht gefunden.
    »Er wird unruhig«, berichtete Raimund. Das hatte auch Christian mit Genugtuung zur Kenntnis genommen, als er kurz nach seinem Eintreffen dem Alchimisten begegnet und jener deutlich erschrocken davongeeilt war.
    »Übrigens, dein Dorf wird bald Gesellschaft bekommen«, erzählte Raimund dann. »Konrad und Berthold sind mit Siedlerzügen unterwegs zu Flecken, die ganz in der Nähe liegen.«Christian verzog kaum merklich das Gesicht. Auch diese beiden kannte er seit der gemeinsamen Knappenzeit, aber sie hatten sich nachdrücklich bemüht, in Randolfs Gefolge aufgenommen zu werden, und dazu gehörte, dass sie ihm feindselig begegneten. Das verhieß wenig Aussicht auf gute Nachbarschaft. Doch das war den anderen ebenso klar wie ihm.
    »So spät noch? Dann werden sie dieses Jahr nicht mehr ernten können«, meinte er deshalb nur verwundert.
    »Wie ich gehört habe, holen sie zunächst nur Männer, die roden, Häuser bauen und etwas Wintersaat ausbringen. Die Familien sollen erst im nächsten Jahr nachkommen.«
    »Hört sich vorausschauend an«, entgegnete Christian, streckte die langen Beine aus und lehnte sich zurück. »Aber glaubt mir: Wenn es für mich auf dem Weg von Franken hierher eine Überraschung gab, dann die: Ohne die Frauen wären wir nie so schnell vorangekommen. Sie waren es, die immer wieder gedrängt haben, damit wir noch säen konnten. Sie haben um ihre Kinder gekämpft wie die Wölfinnen und tun es immer noch.«
     
    Je mehr sie sich Magdeburg näherten, umso schlimmer wurden die Spuren der Kämpfe, die hier getobt hatten: niedergebrannte Felder, Menschen, die beim Anblick der Reiter panisch davonrannten oder resigniert zwischen den verkohlten Resten ihrer Häuser hockten und den Männern mit bittender Geste die leeren Hände entgegenhielten.
    Sie kamen durch ein Dorf, über dem ein furchtbarer Verwesungsgeruch hing und von dem nichts übrig geblieben war als ein paar verbrannte Balken und ein Stapel entsetzlich entstellter Leichen, die niemand begraben hatte: Männer mit aufgeschlitzten Körpern, halbnackte Frauen und Mädchen jeden Alters mit verrenkten Gliedern, aufgespießte Kinder.
    Die Männer bekreuzigten sich schaudernd. Otto ließ seinenTrupp halten und befahl einigen seiner Soldaten, die Toten auf dem Kirchhof zu begraben und erst dann nachzufolgen.
    Gott bewahre uns vor Krieg, dachte Christian einmal mehr, der an der Seite der erblassten Markgräfin ritt. Die Ritter ziehen in die Schlacht, um Ruhm zu ernten und Beute zu machen, aber die einfachen Leute trifft es immer am schlimmsten.
     
    Ottos Bruder Dedo von Groitzsch war mit seinem Gefolge bereits vor ihnen in Magdeburg eingetroffen und begrüßte den Zug lautstark, als sie die Residenz des Erzbischofs erreichten. In der prunkvoll ausgestatteten Halle hieß Erzbischof Wichmann Hedwig und Otto willkommen, danach begrüßte Hedwig respektvoll ihren Vater und ihren ältesten Bruder Otto von Brandenburg.
    »Ein großer Tag für uns«, meinte Albrecht der Bär mit seiner kraftvollen Stimme, die ein Fremder dem fast Siebzigjährigen kaum zugetraut hätte.
    Er ist einer der Mächtigsten des Reiches, aber die schon Jahrzehnte währende Fehde mit dem Löwen hat ihn bitter gemacht, dachte Hedwig. Doch nun schien ihr

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