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Das Geheimnis der Heiligen Stadt

Das Geheimnis der Heiligen Stadt

Titel: Das Geheimnis der Heiligen Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beaurfort
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wahr?«
    Â»Ich habe schon angenehmere Orte gesehen«, erwiderte Geoffrey vorsichtig. Kaum etwas jagte ihm so viel Angst ein wie eine dunkle Höhle, aber das sagte er nicht. Er wollte ihr keine weitere Waffe in die Hand geben, mit der sie ihn während ihrer nächsten Reise quälen konnte.
    Â»Ihr seid sehr blass«, stellte sie fest und drehte ihn grob zur Seite, bis sein Gesicht im Schein der Laterne lag und sie es besser sehen konnte.
    Â»Mir ist sehr kalt.«
    Â»Nein«, widersprach sie und kniff die Augen zusammen. »Da ist noch mehr.«
    Â»Ich habe schon seit Tagen nicht mehr richtig geschlafen. Ich wurde in einem brennenden Stall eingeschlossen. Ich war in mehrere Kämpfe verwickelt. Meine halbe Kopfhaut ist an der Oberseite dieses Ganges zurückgeblieben. Und ich habe heute schon zweimal gebadet«, sagte er. »Vielleicht ist das Erklärung genug.« Er erwähnte nicht die erschütternde Erkenntnis, dass einer seiner engsten Freunde ein Mörder war oder dass auf seiner persönlichen Liste der Schrecklichkeiten der Aufenthalt unter der Erde ganz oben stand.
    Sie grinste. »Typisch Normanne«, stellte sie fest. »Jämmerlich. Nun, geht vor, und ich werde Euch folgen. Ich mache ohne Zögern von dem Dolch Gebrauch, wenn ich annehmen muss, dass Ihr irgendwas vorhabt. Wir werden zu Onkel gehen.«
    Geoffrey zwang sich, seine unterkühlten Gliedmaßen zu bewegen, und Melisende führte ihn durch die Höhle zur anderen Seite. Er wusste nicht genau, ob er erleichtert sein sollte oder besorgt, dass sie nun allein waren. Melisende lenkte ihn zu einem von mehreren Gängen, und sie machten sich auf den Weg. Das Licht ihrer Laterne warf unheimliche Schatten an die feuchten Wände.
    Im Gegensatz zum vorigen Weg schien dieser einige Orientierung zu erfordern. Immer wieder gabelte sich der Gang, und Melisende hielt kurz inne, ehe sie ihre Wahl traf. Geoffrey zwang sich, aufmerksam auf sie zu achten, und rasch durchschaute er das Muster, dem sie folgte: An jedem Tunneleingang befand sich eine Reihe von Buchstaben in verschiedenen Alphabeten, und Melisende wählte einfach nur die Passage, deren Buchstaben das griechische Wort für »Christus« ergaben.
    Er trottete müde vor ihr her, und es ging mal in diese, mal in jene Richtung, bis er sich schließlich fragte, ob sie sich im Kreis bewegten. Die Gänge sahen alle gleich aus: schmale Röhren aus grob behauenem Gestein, manche natürlich, andere von Menschen gemacht, aber alle feucht, kühl und stickig. Irgendwann ließ ihn seine Müdigkeit den richtigen Tunnel einschlagen, bevor Melisende noch die nötigen Buchstaben gelesen hatte. Sie beäugte ihn misstrauisch.
    Â»Ihr habt nicht lange gebraucht, um das herauszufinden«, merkte sie mit widerwilliger Bewunderung an.
    Â»Aber es nützt mir nichts«, stellte er fest, »denn ich weiß nicht, wohin wir gehen.«
    Â»Zu Onkel«, sagte sie fröhlich, griff nach seinem Arm und schob ihn weiter.
    Â»Ich weiß nicht, ob ich Onkel mögen werde.«
    Sie lachte hinter ihm. »Nein. Vermutlich nicht.«
    Geoffrey stieß sich wieder einmal den Kopf an der niedrigen Decke und rutschte in dem schleimigen Moder aus, der scheinbar jeden von Melisende gewählten Gang bedeckte. Die Wände rückten wieder dichter zusammen. Melisende prallte gegen Geoffrey, als er kurz innehielt, und er rutschte wieder aus. Es war schwierig, das Gleichgewicht wieder zu finden, während seine Hände auf den Rücken gefesselt waren. Aber er wollte um jeden Preis die Demütigung vermeiden, sich von der unerträglichen Melisende wieder auf die Füße helfen zu lassen.
    Der Gang wurde nun deutlich schmaler, und die Decke verlief gerade eben noch über seinem Kopf. Geoffrey musste sich seitwärts bewegen. Und dann wurde es auch dafür zu eng, und er fand sich in der unangenehmen Lage wieder, dass ihm die eine Wand übers Gesicht rieb, während die andere über seine Hände kratzte. Vor ihm verengte sich der Gang zu einem Spalt aus Schwärze, und er hielt inne.
    Die Luft war reglos, feucht und so kalt wie ein Grab. Geoffrey fragte sich, wie lange sie schon hier stand, abgeschnitten von der Außenwelt, wieder und wieder von den Schmugglern geatmet, die diesen Gang benutzten. Er hatte schon von giftiger Luft in Höhlen gehört – ob die Abgestandenheit, die er bemerkte, wohl auf giftige Dämpfe

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