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Das Geheimnis der Heiligen Stadt

Das Geheimnis der Heiligen Stadt

Titel: Das Geheimnis der Heiligen Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beaurfort
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gegenüberliegenden Skriptorium gingen.
    Â»Wir sollten uns unterhalten«, sagte Melisende, stellte sich neben ihn und sprach wieder Griechisch. »Womöglich gibt es einiges, was wir uns erzählen können.«
    Â»Da bin ich sicher«, stimmte er ohne große Begeisterung zu. »Aber warum solltet Ihr einem Normannen irgendetwas erzählen?«
    Sie warf ihm aus den Augenwinkeln einen Blick zu, aus dem der Schalk sprach. »Ich musste meine wahre Herkunft verbergen«, erklärte sie. »Also bekundete ich einen tief sitzenden Abscheu gegen Kreuzfahrer. So hätte niemals jemand erraten, dass meine Vorfahren ebenso westlich sind wie die Euren.«
    Â»Also gebt Ihr nur vor, Griechin zu sein?«
    Â»Ja. Onkel war entsetzt, was er hier in Jerusalem vorfand. Die griechische Bevölkerung war so übel behandelt worden, dass sie vor Unruhe kochte. Onkel brauchte jemanden, der sich in die Gemeinde einschleicht, damit er über all ihre Pläne und Gedanken Bescheid weiß.«
    Â»Ist das nicht gefährlich für Euch? Wenn man Euch nun erwischt hätte?«
    Â»Das hätte man beinahe«, erwiderte sie mit einem Grinsen. »Durch Euch. Als Ihr mich festnehmen ließet, hättet Ihr in einem Augenblick beinahe alles zerstört, was ich über Monate aufgebaut habe.«
    Er wandte sich ihr zu. »Daher also die Feindseligkeit?«
    Sie lächelte wieder. »Das diente teilweise der Täuschung der griechischen Gemeinde, war aber auch echt. Ich war wütend, dass Euer unsinniges Vorgehen mich beinahe als Spionin entlarvt hätte.«
    Â»Eure Tarnung ist sehr überzeugend. Wo habt Ihr so gut Griechisch sprechen gelernt?«
    Sie drehte sich um und blickte aus dem Fenster. »Als ich mit meinem Onkel in Rom wohnte, hatte ich ein griechisches Kindermädchen. Onkel bestand darauf, dass sie stets Griechisch mit mir sprach. Daher wuchs ich mit dieser Sprache auf und beherrsche sie so gut wie Italienisch.«
    Â»Tatsächlich?«, sagte Geoffrey überrascht. »Hat Daimbert schon vor so langer Zeit vorausgesehen, dass er möglicherweise eine griechisch sprechende Spionin benötigen würde?«
    Sie fuhr herum und funkelte ihn an. »Er hat nicht aus diesem Grund darauf bestanden, dass ich Griechisch lerne! Es ging ihm einfach nur um meine Erziehung.«
    Â»Wäre Latein da nicht die bessere Wahl gewesen?«, wandte Geoffrey ein. »Gewiss gab es in Rom doch mehr lateinische Texte, von denen Ihr hättet lernen können?«
    Â»Meine Erziehung geht Euch gar nichts an!«, fuhr Melisende ihn an. Aber ihrem Ausbruch fehlte die Überzeugung, die sie bei vorangegangenen Gelegenheiten gezeigt hatte. Daher vermutete Geoffrey, dass sie sich selbst schon die gleichen Fragen gestellt hatte.
    Â»Seid Ihr eine Witwe?«, fragte er, um das Thema zu wechseln. »Oder gehört das ebenfalls zur Tarnung?«
    Â»Ich war verheiratet, als ich noch ein Kind war – tatsächlich mit einem Normannen«, sagte sie. »Er besaß Ländereien in Südfrankreich und mehrere Burgen. Onkel arrangierte diese Heirat. Es war eine gute Heirat für mich, und da mein Ehemann mehr als sechzig Jahre alt war und ich nur fünfzehn, musste ich ihn auch nicht lange ertragen.«
    Â»Und ich nehme an, als dieser reiche Normanne starb, übernahm Onkel als Euer Vormund die Herrschaft über die Ländereien und Burgen?«, fragte Geoffrey mit unschuldigem Gesichtsausdruck.
    Melisende sah ihn aus zusammengekniffenen Augen an. »Was wollt Ihr damit sagen?«, entgegnete sie kühl. »Wollt Ihr etwa ausdrücken, dass Onkel mich benutzt hat, um den eigenen Besitz zu mehren? Ich kann Euch versichern, das entspricht nicht der Wahrheit.«
    Aber Geoffrey war sehr geneigt zu glauben, dass genau das der Fall war, und der Art, wie sie seinem Blick auswich, entnahm er, dass auch sie das wusste. Also hatte der liebende Onkel Daimbert seine Nichte benutzt, um sich ein Vermögen für seine Zwecke in Südfrankreich anzuhäufen. Und er hatte darauf bestanden, dass sie Griechisch lernte, damit sie ihm bei der zunehmenden Entzweiung zwischen der römischen und der griechischen Kirche als Auge und Ohr dienen konnte. Vielleicht sah Daimbert sich selbst eines Tages als Papst und meinte, dass er einen Übersetzer benötigen würde, dem er vertrauen konnte. Was auch immer seine Motive waren, offensichtlich hatten sie wenig mit Melisendes persönlichem

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