Das Geheimnis der Heiligen Stadt
leicht abzuschütteln.
Mit einem dünnen Lächeln sagte er: »Wir wissen, dass John in der Zitadelle wohnte. Doch Guido war den Schreibern des Patriarchen zufolge vor kurzem zu den Augustinern nahe der Grabeskirche gezogen. Er erwog offenbar, seine ritterlichen Pflichten abzulegen und Mönch zu werden.«
»Hatte er einen Sonnenstich oder so was?«, fragte Roger sichtlich überrascht. »Warum wollte er etwas derart Dummes tun?«
»Er wäre nicht der Erste«, sagte Geoffrey. »Schon mehrere Ritter und einfache Krieger traten nach der Ankunft in Jerusalem zum Klerus über. Nicht jeder hat sich dem Kreuzzug angeschlossen, um zu plündern und zu kämpfen.«
Roger wirkte nicht überzeugt. Geoffrey fragte sich, was der stämmige Engländer wohl denken würde, wenn er erfuhr, wie unzufrieden Geoffrey selbst mit seinem Dasein als Ritter war.
Schweigend gingen sie nebeneinander her. Es war immer noch drückend heiÃ, obwohl die Kraft der Sonne schon nachlieÃ. Geoffrey fühlte sich ein wenig benommen, doch das wollte er den anderen gegenüber nicht eingestehen. Die Gefahren, denen er so knapp entronnen war, forderten allmählich ihren Tribut. Er hätte nichts lieber getan, als sich in seinem Zimmer niederzulegen und zu schlafen.
Helbye bat um die Erlaubnis, ein wenig Wasser zu kaufen, von einem Mann, der zwei Lederschläuche an einer Schultertrage trug. Doch Geoffrey war dessen augenscheinlicher Eifer, ihnen das Wasser zu verkaufen, verdächtig, und er gestattete es nicht. Er kaufte allerdings ein wenig Wasser für den Hund und fühlte sich bestätigt, als das Tier nur einmal kurz daran schnüffelte und sich dann abwendete.
Kühl, aber höflich wurden sie von den Augustinern in ihren Räumlichkeiten nahe der Grabeskirche empfangen. Doch immerhin durften sie für eine Weile in einem kühlen, marmorverkleideten Raum sitzen. Während Geoffrey die feine Maserung des Steins bewunderte, nippten die anderen dankbar an dem feinen Rotwein, den man ihnen brachte.
»Was wollt Ihr von uns?«
Geoffrey wandte sich dieser feindseligen Stimme zu und sah an der Tür einen fettleibigen Mann, der das Habit eines Augustinerchorherrn trug. Dieser hatte ein knallrotes Gesicht, das sich unvorteilhaft zu den fettigen, dunkelblonden Haaren ausnahm.
»Wir untersuchen im Auftrag des Vogts den Mord an Guido von Rimini«, gab Geoffrey mit distanzierter Höflichkeit zurück. »Ich wäre dankbar, wenn Ihr mir einige Fragen beantworten könntet.«
Der Kanonikus wurde ein wenig zugänglicher. »Ach ja, der arme Bruder Salvatori.« Er bemerkte Geoffreys verwirrten Gesichtsausdruck und erklärte eilig: »Herr Guido wollte bei uns die ewigen Gelübde ablegen. Er hatte bereits seine Sachen hierhin schaffen lassen und den Namen Bruder Salvatori angenommen. Er verbrachte einen GroÃteil seiner Zeit hier, betete und hatte an unseren täglichen Pflichten teil.«
»Ist er zwischendurch überhaupt noch einmal fort gewesen? Hat er Besucher empfangen?«
»Nicht dass ich wüsste«, sagte der Kanonikus. »Es war ihm sehr ernst mit seinem Anliegen, und nachdem er erst einmal hier eingezogen war, ging er selten hinaus.«
»Selten? Gelegentlich also doch!«
»Nun, vielleicht ein- oder zweimal«, räumte der Kanonikus abschätzig ein. »Was spielt das für eine Rolle?«
»Es könnte eine groÃe Rolle spielen«, versetzte Geoffrey gereizt. »Es könnte uns helfen herauszufinden, wer ihn ermordet hat. Damit retten wir vielleicht weiteren Leuten das Leben. Es ist wichtig! Erinnert Euch an die letzten Tage vor seinem Tod. War er da noch einmal fort?«
Der Kanonikus verzog nachdenklich das Gesicht. »Womöglich erinnere ich mich da an etwas. Zwei Tage vor seinem Tod blieb er die ganze Nacht weg. Er kehrte zur Morgendämmerung zurück, und ⦠nun, er brachte einen Mann mit auf sein Zimmer.«
Geoffrey wartete auf Einzelheiten, doch es kamen keine. »Kanntet Ihr diesen Mann?«
»Ich kannte ihn nicht, und ich billige ein solches Treiben auch in keiner Weise.«
»Könnt Ihr ihn vielleicht beschreiben?«
Der Kanonikus seufzte schwer. »Eigentlich nicht. Es war ein Benediktiner. Und er hatte verschiedenfarbene Augen. Ich habe sie zusammen flüstern hören.«
»Konntet Ihr verstehen, worüber sie sprachen?«
»Nein. Und das wollte ich auch nicht. Aber ich
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