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Das Geheimnis der Herzen

Das Geheimnis der Herzen

Titel: Das Geheimnis der Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Holden Rothman
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Stockwerk unter uns, und darunter waren die Hörsäle. Nur selten kam jemand hier herauf. Im Flur standen verwaist ein paar Stühle und kaputte Schreibtische herum.
    »Mastro hätte wenigstens dafür sorgen können, dass hier geputzt wird«, brummelte Dr. Clarke in sein Taschentuch. »Er ist der Kurator.«
    Der Name ließ mich zusammenzucken. »Dr. Mastro?«
    Dr. Clarke nickte. »Das Museum gehört zum Lehrstuhl für Physiologie.« Er fuhr über die Oberfläche des zentralen Arbeitstisches und hielt mir die schwarze Fingerspitze hin. »Mastros Frau ist in Saranac Lake im Sanatorium, sie hat Schwindsucht. Er muss sich um andere Dinge kümmern als um das medizinische Museum.«
    Meine Augen gewöhnten sich allmählich an das Dunkel. Ich bemerkte die hohe Decke, die Regale an den Wänden. Irgendwann hatte hier Ordnung geherrscht, jemand hatte sich um eine Struktur bemüht. Ich begriff jetzt auch, warum es so dunkel war, ging ans andere Ende des Raumes und zog an einer Schnur. Eine Jalousie schnurrte nach oben und enthüllte ein großes, schmutziges Fenster.
    » Fiat lux! «, rief der Dekan. Ich konnte ihn jetzt besser sehen, er grinste jungenhaft übers ganze Gesicht.
    Die Gläser und der düstere Raum führten meine Gedanken zurück an einen anderen Ort, in eine andere Zeit. Still stand ich da und atmete das Formalin ein. Gerüche bleiben bei einem. Ich musste an die Scheune in St. Andrews East denken und an meine frühen Versuche als Kuratorin, aber die Erinnerungen gingen sogar noch weiter zurück. Ich hatte schon einmal solche Gläser, solche Regale gesehen. In dem Raum hinten in unserem Haus in Montreal.
    Schließlich verabschiedete sich der Dekan mit dem Versprechen, mir gleich den Hausmeister samt einem Eimer und dem übrigen Putzzeug, das ich brauchte, zu schicken. Er entschuldigte sich auch dafür. Als wäre es angesichts meiner Ausbildung unter meiner Würde zu putzen.
    In der folgenden halben Stunde tat ich nichts anderes, als auf einem Hocker an dem großen Arbeitstisch zu sitzen und die Staubdecke zu betrachten. Die Sonne hatte den Zenit er reicht, und ihre Strahlen leuchteten durch das schmutzige Fenster, das nach Süden ging, auf den McGill-Campus hi naus. Ich würde den ganzen Tag über Licht haben.
    Dr. Clarke hatte meine Pflichten noch nicht umrissen, aber die ersten Aufgaben waren unübersehbar. Das Museum war wie eine Rumpelkammer, die Objekte standen völlig beliebig herum, manche waren umgekippt. Etwas Weißes fiel mir ins Auge. Um einen Metallstab beugte sich unbeholfen ein Skelett. Es war klein. Als ich es aufrichtete, löste sich der rechte Arm aus dem Schultergelenk, sodass ich ihn in der Hand hielt.
    Ich drückte den Arm an mich. Die Besitztümer meines Vaters waren erhalten geblieben. William Howlett musste sie hierhergebracht haben, und jetzt würde ich ihre Hüterin sein. Hatte Dr. Clarke auch nur die geringste Ahnung, was für ein Geschenk er mir gerade gemacht hatte? Meine Augen füllten sich mit Tränen.
    Genau wie das Skelett musste fast jeder Gegenstand hier im Museum repariert werden. Darauf freute ich mich richtig! Ich legte die Armknochen, die ich immer noch in der Hand hielt, beiseite. Sie waren porös und erstaunlich leicht. Ich be gann, die Gläser zu inspizieren. Manche Präparate stammten von Tieren. In einem Glas befanden sich Schnitte einer Schwei nelunge, ausgewählt wegen der Parasiten, die die Bronchien blockiert hatten. »Strongylus« stand da in einer Handschrift, die ich nie hatte näher kennenlernen dürfen. Meine eigene Schrift ist eher gedrungen, vor allem, wenn ich in Eile bin. Seine hingegen war hoch und schmal und lief nach oben spitz zu, als wollte sie davonfliegen.
    Ein Regal enthielt nichts anderes als präparierte menschliche Herzen. Auf dem ersten Glas stand »Verfettetes Herz mit Ruptur«, in der Schrift meines Vaters. Diese Präparate waren sehr alt, mit moosigen Oberflächen, die man nicht unbedingt berühren wollte. Auf einem anderen stand: »Akute eitrige Perikarditis«. Das Herz hatte einer Frau gehört und nach den Aufzeichnungen meines Vaters einen halben Liter »löblichen Eiter« produziert. Diese Exponate hatten ihm gehört. Er hatte sie selbst herausgeschnitten und konserviert. Das war unfassbar.
    »Das Horrorkabinett«, sagte ich laut und musste grinsen bei dem Gedanken. Ich schaute mich um und begutachtete das Ausmaß an Unordnung. Es würde viel Zeit und Mühe kosten, alles zu sortieren, aber ich hatte Tage und Monate zur Verfügung, und Dr.

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