Das Geheimnis der Herzen
ähnliche Fälle begegnet seien.
»Dr. Rivers hat mir das hier letzte Woche gebracht«, sagte ich und holte ein Glas von einem Nachbarregal.
Howlett wandte sich an Rivers. »Sie werden einen Bericht schreiben, nicht wahr? Graben Sie meinen auch wieder aus, und stellen Sie die beiden Fälle nebeneinander. Ich habe meinen Bericht nie veröffentlicht. Das Ganze würde einen erstklassigen Artikel ergeben, finden Sie nicht?« Er warf Dugald das Glas zu, das dieser grinsend auffing. Er war so glücklich, dass er nur noch nicken konnte, mit hochrotem Kopf.
Wir gingen von einem Präparat zum nächsten. Es war schon kurz vor zwölf, und eins der letzten Gläser auf dem Tisch war das Howlett-Herz. Anders als die übrigen Präparate stand davor eine getippte Karte, da Howlett mir ja vor sechs Jahren die ganze Geschichte erzählt hatte.
Er nahm das Glas in die Hand und lächelte. »Und was ist mit dem hier, Agnes? Mit Ihrem Markenzeichen? Wieso steht es hier unter den Mysterien? Ich habe Ihnen die Geschichte doch schon erzählt.«
Ich erwiderte sein Lächeln. »Ja, und dafür bin ich Ihnen sehr dankbar, Sir, weil ich deshalb einen Weg eingeschlagen habe, der sich für mich als richtungsweisend herausgestellt hat. Aber es gibt einen Aspekt, der mich immer noch beschäf tigt und der mit Ihren Aufzeichnungen zusammenhängt, die ich sorgfältig studiert habe.«
Ich ergriff die gebundenen Berichte und schlug die Passage auf, die mich nicht losließ. Vor einem Monat erst war ich darauf gestoßen, und seither grübelte ich ständig darüber nach. Normalerweise hätte ich Howlett geschrieben und die Sache schriftlich geklärt, aber ich war zu dem Schluss gekommen, dass es warten konnte, bis wir uns persönlich trafen. Bestimmt gab es eine absolut einleuchtende Erklärung, auch wenn ich allein nicht dahinterkam.
Ich deutete auf einen Eintrag vom Herbst 1872. Zu der Zeit hatte Howlett fast jeden Tag in der Leichenhalle von Montreal gearbeitet, nicht lange nach seinem Abschlussexamen an der McGill. »Diese Notiz hier bezieht sich auf das Howlett-Herz«, erklärte ich. »Sie schreiben, dass Sie die Arbeit gemacht haben, Dr. Howlett, und zwar allein. Aber ich dachte immer, dass Dr. Bourret der zuständige Mediziner war. So haben Sie es mir jedenfalls berichtet. Ich habe es auch in meinem Artikel so dargestellt.«
Dr. Howlett zog den Band näher zu sich. »Das kann nicht stimmen. Irgendetwas muss hier verwechselt worden sein.« Er überflog den Eintrag.
»Die Beschreibung des Herzfehlers passt«, sagte ich. »Und das Datum ebenfalls. Ich bin mir sicher, dass es um dasselbe Herz geht.«
»Ja, das stimmt«, sagte Howlett und las den Text mit gerunzelter Stirn noch einmal durch. »Daran gibt es keinen Zweifel.« Sein Gesicht war sehr ernst, aber plötzlich fing er an zu lachen und schaute uns an. »Jetzt weiß ich es wieder! Damals ist etwas Unerwartetes eingetreten, und wir konnten nicht sicher sein, ob Dr. Bourret an dem Tag überhaupt kommen würde. Er übertrug mir die Aufgabe, weil wir schon häufig zusammengearbeitet hatten. Ich ging davon aus, dass ich allein arbeiten würde, aber dann kam er doch noch, in letzter Minute.«
»Also ist es ein Fehler«, sagte Jakob undiplomatisch. Ich zuckte zusammen.
»Richtig, junger Mann«, sagte Howlett mit einem kalten Lächeln. »Es ist ein Fehler. Da auch ich nur ein Mensch bin, passiert mir das gelegentlich.«
Jakob schaute Howlett jetzt direkt in die Augen und richtete seine ganze Konzentration auf ihn. Ich kannte diesen Blick nur zu gut. »Aber Sie haben den Bericht bestimmt nach der Obduktion geschrieben, und zu dem Zeitpunkt wussten Sie doch, wer sie geleitet hat.«
Ich wollte ihm unter dem Tisch einen Tritt gegen das Schienbein versetzen, aber meine Beine waren zu kurz. Jakob besaß kein Taktgefühl. Nicht die Spur. Er hatte unsere Diskussion in ein Verhör verwandelt, und unser Gast war in den Zeugenstand gerufen worden. Wenn ich doch nur das Thema nicht angeschnitten hätte!
Der neue königliche Medizinprofessor aus Oxford suchte jedoch keinen Streit. »Nun ja«, entgegnete er mit einem Achselzucken. »Wir machen alle Fehler, Mr Hertzlich. Es war ein Versehen.«
Aber Jakob ließ nicht locker. »Wollen Sie damit sagen, dass dieser Bourret die Arbeit gemacht hat?«
»Hören Sie, Hertzlich«, mischte sich nun Dr. Mastro ein. »Ich glaube, unser Gast hat sich klar ausgedrückt.«
»Stimmt«, sagte ich, obwohl ich mir nicht sicher war, ob ich wirklich überzeugend klang. Denn ich
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