Das Geheimnis der Highlands
Haube.
»Du bist so dickköpfig, daß du noch nicht einmal die Wahrheit siehst, wenn sie direkt vor dir liegt.«
»Oh, aber das ist genau der Punkt, Mädchen. Ich sah die Wahrheit klar und deutlich mit meinen eigenen Augen anjenem Tag im Garten. Jawohl, nur zu deutlich, und die Erinnerung daran kocht in meinem Verstand, verspottet mich. Ich war gerade verwundet worden, um dein launisches Leben zu retten, aber das bereitete dir keine Sorgen. Nein, du hattest andere süße Pläne in Arbeit. Und meine Abwesenheit machte es dir nur noch leichter. Nur ein paar Stunden fort von deiner Seite, und schon liegst du neben ihm auf dem Brunnen. Mein Brunnen. Mein Weib.«
Das war es also , dachte sie. Er war zurückgekehrt und hatte den Schmied gesehen, als er mit ihr diese nebulösen, furchteinflößenden Dinge angestellt hatte, gegen die sie verzweifelt angekämpft hatte. Er hatte dagestanden und zugesehen, wie der Schmied sie praktisch vergewaltigte, und hatte in seiner Vorstellung geglaubt, sie sei willig gewesen. Er hatte nicht einmal daran gedacht, ihr zu helfen.
»Vielleicht bin ich nicht die einzige, die nicht klar sehen kann«, sagte sie beißend. »Vielleicht sind hier zwei im Raum, die von ein wenig innerer Einkehr profitieren könnten.«
»Was sagst du da, Mädchen?« sprach Hawk leise.
Sie wollte seine Beschränktheit nicht mit einer Antwort würdigen. Ein Mann hatte sie beinahe vergewaltigt, und in seiner Eifersucht hatte ihr Ehemann einfach zugesehen. Je mehr sie ihre Unschuld beteuerte, um so schuldiger würde sie erscheinen. Und je mehr sie darüber nachdachte, um so wütender machte es sie. »Ich schlage lediglich vor, daß du selbst das innere Auge findest, Gatte«, sagte sie, ebenso leise.
Ihre stille Würde gab ihm zu denken. Kein Quäken oder Lügen oder Kriechen. Keine Rechtfertigungen. Konnte es sein, daß er das, was er am Brunnen sah, mißverstanden hatte? Vielleicht. Aber er würde ihre Erinnerungen an den Schmied auslöschen, das schwor er.
Er lächelte düster und verhüllte sie wieder mit derSeidenhaube. Ja, wenn er fertig war, würde sie vergessen haben, daß Adam Black überhaupt existierte.
Das, so wußte er, konnte er tun. Man hatte es ihn gelehrt. Zuerst die Zigeuner und dann die Herzogin von Courtland. »Sex ist nicht nur ein zeitweiliges Vergnügen«, hatte sie ihn instruiert. »Es ist eine Kunst, der man mit geübter Hand und sicherem Gespür nachgeht. Ich werde dich darin ausbilden, in dem subtilsten Raubzug durch menschliche Niederungen. Du wirst der beste Liebhaber sein, den das Land je gekannt hat, wenn ich dir alles gezeigt habe. Mit Leichtigkeit, denn es steht außer Frage, daß du der Schönste bist.«
Und die Lektionen hatten begonnen. Sie hatte recht gehabt – es gab tatsächlich vieles, das er nicht wußte. Und sie zeigte es ihm; dieser Punkt hier, diese Wölbung dort, diese Art der Bewegung, tausend Stellungen, alle Kunstgriffe, seinen Körper zu benutzen, um viele verschiedene Arten von Vergnügen zu bereiten, und schließlich all die Spiele der Phantasie, die damit einhergingen.
Er lernte schnell und prägte sich diese Kunst in sein Gedächtnis ein. Und nach einer Zeit verlor sich sein gieriger jugendlicher Hunger in einem bedeutungslosen Ozean aus Eroberungen und Mätressen.
Oh, er war der Beste, keine Frage. Er ließ die Frauen um seine Aufmerksamkeit betteln. Die Legende des Hawk wuchs. Dann, eines Tages, sprach eine Frau, die Hawk zum wiederholten Male abgewiesen hatte – Olivia Dumont – bei König James vor und bat um seine Liebesgunst, als wäre er ein Stück Besitz, das man verleihen konnte.
Und als wäre er königliches Eigentum, hatte James ihn versprochen und drohte mit den immer gleichen fürchterlichen Konsequenzen für Dalkeith, sollte er nicht gehorchen.
Wie James es geliebt hatte – besonders als er erkannte, wiesehr es den Hawk erniedrigte. Und also hatte der König gesprochen: Du wirst sein, was auch immer. Wir wollen, daß du bist, und sei es ein so niedriges Ding wie Unsere Hure, um Unsere bevorzugten Damen zu beglücken. Andere Männer wurden in die Schlacht geschickt. Der Hawk wurde zu Olivia ins Bett geschickt. Doppelt erniedrigend.
Viele Männer hatten den Hawk beneidet, den Liebhaber so vieler schöner Frauen. Doch noch mehr Männer hatten den Hawk für sein überragendes Können und für seine Manneskraft gehaßt, und für die Legenden, die die Damen um ihn woben.
Schließlich war James es müde geworden, die Legenden zu hören.
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