Das Geheimnis der Highlands
vernachlässigen. Der Herr hatte sich gelegentlich zu zeigen und hatte sich um die Belange seiner Dorfbewohner zu kümmern.
Davon abgesehen kam er hier nicht weiter. Sollte sie in seiner Abwesenheit Adam wählen, dann konnte er endlich innerlich sterben und fortfahren mit dieser Vortäuschung von Leben. Genauso hatte er die ersten dreißig-und-ein-paar Jahre überlebt. Was für ein Narr war aus ihm geworden, zu erwarten, daß der Rest seines Lebens so anders werden würde?
»Schloßherr Douglas.« Mit dieser Anrede versetzte sie ihm einen Schlag.
Schweigend gingen sie zusammen an der Felskante entlang, in Richtung des Waldes.
»Ich werde eine Weile fort sein«, sagte er schließlich, als sie in den Wald traten.
Adrienne verkrampfte sich. Meinte er das ernst? »Wohin gehst du?« Und wieso störte es sie so sehr?
Er zog scharf den Atem ein. »Uster.«
»Was ist überhaupt Uster?«
»Eines meiner Lehensgüter. Siebzehn Lehensgüter gehören zu Dalkeith. Uster umfaßt die Dörfer Duluth und Tanamorissey, und ihre Bewohner sind ein zügelloser Haufen. Sie haben schon Scherereien gemacht, als noch des Königs Männer Dalkeith hielten.«Als des Königs Männer Dalkeith hielten.
Als ihr Ehemann des Königs Hure war.
In den letzten Wochen hatte sich die Hitze von Adriennes Wut abgekühlt und einen nagenden Schmerz hinterlassen. Hawk hatte sie weitgehend gemieden, mit Ausnahme der gelegentlichen Zwischenfälle, bei denen er scheinbar versuchte, aus irgendwelchen Gründen mit ihr einen Streit vom Zaun zu brechen. Sie hatte fast damit gerechnet, daß er sie in sein Zimmer einschloß, aber seit jener furchtbaren Nacht hatte er sich vorsichtig in sein Arbeitszimmer an der Seeseite zurückgezogen. Dort hatte er jede Nacht verbracht – so still, so schön, und so allein.
»Hawk?« begann sie zögerlich.
»Ja?«
»Was genau hat des Königs Hure getan?«
Hawk verkrampfte sich. Konnte dies die Chance sein, auf die er gewartet hatte? Vielleicht durfte er trotz allem noch hoffen. Sein Lachen war voll von bitterer Selbstverhöhnung. »Bist du ganz sicher, daß du das wissen möchtest, liebliche Adrienne?«
* * *
Hinter einer riesigen Eiche lauernd, studierte Esmeralda Adriennes silbrig-blonde Mähne, ihre silbrigen Augen und ihr strahlendes Gesicht. Was sah der Hawk nur in diesem dürren, fahlen Mädchen, was er nicht in Esmeraldas üppiger Umarmung finden konnte?
Zum ersten Mal seit Wochen waren die Wachen abgezogen, und das Miststück lief ungeschützt herum, so daß Esmeralda zuschlagen und dann in den Schutz des dunklen Waldes flüchten konnte. Ihr geliebter Hawk würde möglicherweise eine Zeit der Trauer erleiden müssen, aber in EsmeraldasArmen würde er Trost und süße Leidenschaft finden, sobald die Erde über Adriennes Grab zur Ruhe gekommen wäre.
Sie hob den Pfeil, ihre Hand zitterte. Mit finsterem Blick grub sie die eingekerbte Spitze in ihre Handfläche, bis das Blut über ihre goldbraune Haut floß. Sie verzog vor Schmerz das Gesicht, aber es beruhigte ihre Nerven. Dieses Mal würde sie nicht versagen. Esmeralda hatte ihre Waffe sorgfältig ausgesucht. Gift hatte sich als zu unsicher erwiesen – ihr gezogener und gespannter Bogen würde den Pfeil zuverlässig losschicken, mit genügend Wucht, um in Fleisch und Knochen von Adriennes Brust steckenzubleiben.
Esmeralda kniete sich hin und wickelte die lederne Sehne enger. Sie legte den Pfeil in die Kerbe und legte an, als Adrienne auf eine Lichtung trat. Sie kam beinah ins Wanken, als sie den Ausdruck in Hawks Gesicht sah, als er seine Frau anblickte. Er liebte Adrienne, wie Esmeralda ihn lieben wollte: mit einer wilden, fordernden, grenzenlosen Leidenschaft. Mit dieser Erkenntnis verflog jegliches Mitgefühl, das Esmeralda für Adrienne hätte empfinden können. Sie spannte den Bogen und zielte auf Adriennes Brust. Mit einem leisen Wuusch schnellte der Pfeil von der Sehne.
Esmeralda unterdrückte einen Aufschrei. In letzter Sekunde drehte der Hawk sich um, fast so, als habe er sie im Dunkeln lauern sehen oder den Flug des Pfeils gespürt. Er bewegte sich. Nein!
* * *
»Ummmf!« Adrienne stöhnte, als Hawk ihr einen kräftigen Schlag ins Gesicht versetzte und sie gegen einen Baum schleuderte.
Adrienne rang mit seinem Rücken, aber er war ein unbeweglicher Berg. Beabsichtigte er so, sie zurückzugewinnen?Nach Wochen vorsichtiger Zurückhaltung brachte er sie in den Wald, um sie zu vergewaltigen?
»Unnf!« Sein Atem zischte leise, und sie stieß
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