Das Geheimnis der Highlands
die Schlagzeilen in den Zeitungen sehen sollen. Ein Junge erwürgte ein kleines Mädchen, weil sie ihn nicht telefonieren lassen wollte. Oh, ich dachte mit Bitterkeit an diese Zeit und verglich sie mit zu Hause, und zu Hause hat eindeutig gewonnen.«
»Kannst du das noch mal sagen?« bat Lydia leise.
»Was?« fragte Adrienne verblüfft. »Oh, Schlagzeilen,Zeitungen, das sind –« Sie hob an zu erklären, aber Lydia unterbrach sie.
»Zu Hause.« Ein strahlendes Lächeln überzog Lydias Gesicht. »Du hast dies hier zu Hause genannt.«
Adrienne blinzelte. »Hab ich?«
Die beiden Frauen sahen sich einen langen Augenblick in die Augen.
»Beim Samhain, Lydia, gib ihr den Kaffee, will ich mal sagen.« Tavis’ rauhe Stimme kam von der Tür. »Auf so eine Weise hin und her geschubst zu werden, das macht bestimmt durstig.«
»Kaffee?« Adrienne war obenauf.
»Ah.« Lydia lächelte. Zufrieden mit sich selbst und über alle Maßen entzückt über ihre Schwiegertochter, die Dalkeith-Upon-the-Sea als ihr Zuhause bezeichnet hatte, ohne es überhaupt zu bemerken. Sie füllte schnell einen Porzellanbecher mit der dampfenden Flüssigkeit und stellte ihn stolz vor Adrienne auf den Tisch.
Adriennes Nase bebte, als ihre Geruchsnerven vor Freude hüpften, und sie griff gierig nach dem Becher. Sie schloß die Augen, atmete tief ein und trank.
Und würgte.
Tavis klopfte ihr auf den Rücken und blickte anklagend zu Lydia. »Ich habe es doch gleich gesagt!« sagte er.
Als Adrienne wieder atmen konnte, wischte sie sich die Tränen aus den Augen und blickte mißtrauisch in die Tasse. »Oh, Lydia! Man läßt nicht den Bodensatz – nein, nicht direkt Boden … eher wie eine Paste. Was habt Ihr gemacht? Die Bohnen zerstoßen und mit Wasser vermischt? Baah!«
»Hatte ich nicht gesagt, daß Ihr es durch ein Sieb schütten müßt«, erinnerte Tavis. »Würdet Ihr so etwas trinken wollen?«
»Nun, in all dem Durcheinander hab’ ich’s haltvergessen.« Lydia schnappte sich den Becher. »Da du ja so sicher bist, alles richtig zu machen, machst du es!« Sie hielt Tavis den Becher entgegen und ließ dabei dicke, braune Flüssigkeit auf den Boden platschen.
»Fein. Das wäre doch gelacht, will ich mal sagen!« Mit hochmütigem Blick machte er sich auf den Weg zur Speisekammer.
Lydia seufzte. »Adrienne, ich weiß, daß es für dich bisher kein besonders guter Morgen war. Ich wollte Kaffee für dich machen, aber an Stelle von Kaffee, was hältst du von einer Tasse Tee und einem Schwätzchen?«
»Oh – oh«, seufzte Adrienne. »Ich kenne diesen Blick, Lydia. Was ist los? Abgesehen davon, daß ich durch die Zeit geschleudert wurde?«
»Tee?« wich Lydia aus.
»Gespräch«, sagte Adrienne vorsichtig.
Wie sollte sie es am besten anfangen? Lydia war entschlossen, nichts vor ihr zu verbergen. Lügen und Halbwahrheiten hatten die unangenehme Eigenschaft, Mißtrauen hervorzurufen und zu schüren. Wenn Adrienne den Hawk sehen könnte, wie er wirklich ist, würde die Wahrheit hoffentlich keinen Schaden anrichten; aber Lügen, welcher Art auch immer, ganz bestimmt. »Esmeralda ist tot.«
»Das tut mir leid«, bekundete Adrienne sofort. »Aber wer ist Esmeralda?«
»Hawks … äh … nun, seine ehemalige Geliebte, das erklärt es wohl am besten –«
»Du meinst, zusätzlich zu Olivia? Und wo hat er sie gehalten, nebenbei gefragt? Im Verlies? Im Turm? Im Zimmer neben meinem?«
Lydia zuckte zurück. »So verhält es sich nicht, Adrienne. Er hat sich Monate vor deiner Ankunft von ihr getrennt. Sie lebte bei den Roma, die in den warmen Jahreszeiten aufunseren Weiden lagern. Nach alldem, was ihre Leute heute morgen Tavis erzählten, war sie es, die versucht hat, dich zu töten. Die gute Nachricht ist, du bist jetzt sicher.«
»Habe ich das nicht schon die ganze Zeit gesagt? Ich sagte dir, daß es wahrscheinlich eine der ehemaligen Mätressen jenes Mannes war, oder etwa nicht? Oh!« Sie sprang auf die Füße.
»Adrienne.«
»Was noch?«
Oh, zum Henker , kochte Lydia. Komm schon, Kopf hoch , sagte sie zu sich selbst, denn ein Blick in Adriennes Gesicht hatte ihr verraten, daß sie geradewegs auf einen ordentlichen Streit mit dem Hawk zusteuern wollte, und daß sie wütend sein würde wie eine spuckende Todesfee, wenn sie erkannte, daß es keinen geben würde. »Hawk ist im Morgengrauen nach Uster abgereist.«
»Für wie lange?« knirschte Adrienne.
»Das hat er nicht gesagt. Adrienne! Warte! Wir müssen dahinterkommen, was dich
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