Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Geheimnis der Inselrose - Historischer Roman

Titel: Das Geheimnis der Inselrose - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
Vom Netzwerk:
Wasserfässer an Deck fest. Am Mittag konnten wir vor lauter schwarzen Wolken die Sonne nicht mehr sehen. Nacht wurde es, mitten am Tag. Das Meer fing an zu tanzen! So was hatte ich im Leben nie nicht gesehen. Wellen, hoch wie Berge, und das, wo kein bisschen Wind ging. So unheimlich war es, dass der Smutje allen Ernstes das Schiff nach einem Klabautermann abzusuchen begann. Dabei fing die See ihr Spiel mit uns erst an! Sie warf den Kahn so fürchterlich hin und her, dass die Balken krachten und ich Angst bekam, die Masten würden brechen. In unserer Not warfen wir alle Kanonen und einen Teil der Ladung über
Bord. Aber nichts half. Wir schlugen leck und begannen wie verrückt Wasser aus dem Schiff zu pumpen. Und dann, endlich, kam doch noch eine Brise auf. Was waren wir erleichtert! Segeln war zwar nicht drin, aber vom Wind gestützt lag das Schiff ruhiger auf dem Wasser.
    In der Nacht wurde aus der Brise ein Sturm. Wir banden uns Taue um den Bauch, knoteten diese an den Masten fest. Selbst Vater kroch aus seiner Koje. Die See räumte das Deck ab, griff nach Wasserfässern und Proviant. Irgendwann, nach Stunden, sagte der Kapitän was von Segel setzen.« Krischan seufzte tief. »Jeder macht mal einen Fehler. Das Schiff drehte sich mit einem Mal wie ein Kreisel, Wind fiel von vorn in die Segel, die Masten brachen und stürzten krachend auf das Deck. Einige Männer kamen um unter dem Holz, drei stürzten ins Wasser. Einer von ihnen war mein Vater.«
    Krischan räusperte sich und fuhr mit der Hand über seine Augen. Dann, als müsse er sich erst Mut antrinken, nahm der Hüne erneut einen Schluck aus seinem Krug. »Wir konnten keinen der Männer retten. Der Kapitän ließ die Takelage kappen und alles mit den Masten ins Meer werfen. Ich war wie vom Donner gerührt. Als Leben in mich kam, flehte ich den Kapitän an, nach meinem Vater suchen zu lassen. Ich versprach ihm meine Seele dafür, doch er wies nur kopfschüttelnd auf die irre See. Niemand hätte ihr entkommen können. Nicht in dieser Stunde. Ich wollte das nicht begreifen, schäumte vor Wut über und schlug dem Mann ins Gesicht. War auch damals schon ein kräftiger Kerl, müsst ihr wissen. Hatte mein Mütchen noch nicht so richtig gekühlt. Doch der Kapitän schüttelte mich einfach ab. Der Orkan trieb uns immer weiter. Fort von meinem Vater. Ich war drauf und dran, mich selbst in die Fluten zu stürzen, schließlich trug ich die Schuld. Denn ich war es gewesen, der Vater zu dieser Unglücksfahrt erst überredet hatte. Ich habe ihn auf dem Gewissen.«

    Krischan schloss die Augen, und die Bilder, die vor seinem geistigen Auge vorbeizuziehen schienen, malten Verzweiflung auf seine Züge. Niemand sprach ein Wort. Endlich öffnete der Bärtige seufzend wieder die Augen. Aus Vergangenem, Vergessenem schaute er auf wie ein Mensch, der aus tiefem Schlaf erwacht.
    »Über Sandbänke und Riffe hinweg wurde unser Schiff schließlich auf den Wangerooger Strand geworfen. Mannschaft und Ladung konnten gerettet werden. ›Schipp up Strand‹ wurde ausgerufen, und bald schon kamen die Insulaner mit Beil, Strick und Sack, um beim Bergen zu helfen. Ist ja heut noch so, dass wir vom Gesetz her dazu verpflichtet sind, auch wenn einige meinen, alles behalten zu können. Der Kapitän hat auf seinem Recht bestanden, und später haben sie das Schiff dann auch wieder flottgemacht und in den Heimathafen zurückgebracht. Die Insulaner bekamen Bergelohn, die Mannschaft hat sich in alle Winde verstreut. Ich aber habe mir geschworen, niemals wieder meinen Fuß auf ein Schiff zu setzen. Und so konnte ich nur hier auf der Insel bleiben. War nicht schlechter als anderswo, und nach Dornum wollte ich einfach nicht zurück. Zu viele Erinnerungen, versteht ihr?
    Vaters Tod machte mir so zu schaffen, dass ich mich lange Zeit zu gar nichts aufraffen konnte. Bin einfach immer nur am Strand entlang. Am liebsten bei ablaufend Wasser, wenn das Meer Seetang, Muscheln und totes Getier auf den Sand wirft. Wertlosen Plunder verschenkt die See gerne, aber nach meinem Vater habe ich mir vergeblich die Augen ausgeguckt. Aus dem ausgespuckten Strandholz, das ich in die Dünen schleppte, zimmerte ich mir eine kleine Hütte. In den Sturmnächten gab es besonders viel am Meer zu finden. Dann packte es mich! Trotz größter Kälte, trotz gewaltigen Sturmes und heftigem Regen bin ich hinaus an den Strand. Nachsehen, was die See mir zugedacht hatte.

    Mir war schon klar, dass die Insulaner mich misstrauisch

Weitere Kostenlose Bücher