Das Geheimnis der Inselrose - Historischer Roman
geschieht«, flehte der Gastwirt.
Wiltert hatte den Dialog mit verächtlichem Gesichtsausdruck verfolgt. Jetzt betrachtete er den Wirt angeekelt. Mit der Überführung als Brandstifter schien jegliche Maske von ihm abgefallen zu sein. Er ließ ein freudloses Lachen hören.
»Lass meinen Sohn hierbleiben«, äffte er die Stimme des Vaters nach. »Du hast doch überhaupt keinen Sohn!« Seine
Augen funkelten böse. »Ja, reiß nur das Maul auf. Ich bin nicht von deinem Blut! Eigentlich wollte ich diese gute Botschaft noch eine Weile für mich behalten. Aber warum soll ich mir nicht eine kleine Freude gönnen. Wo doch jetzt alle Welt gegen mich und für den Teufel ist. Und was dieses Weib hier neben dir betrifft«, fügte er mit wegwerfender Handbewegung in Richtung seiner Mutter hinzu. »Weißt du, dass sie eine Hure ist?«
Die Wirtin zuckte zusammen. »Was sagst du da?« Jegliche Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen.
»Ja, eine Hure!«, tönte Wiltert triumphierend. »Da schaust du entsetzt, dass ich es weiß. Hast es mit dem Pastor getrieben. Das war noch ein richtiger Mann, der konnte Söhne zeugen. Nicht so ein Schwächling wie er hier!« Wiltert nickte zum Wirt hin.
Dessen Gesicht war jetzt totenbleich. Seine Frau sank mit einem Seufzer auf den nächsten Stuhl.
»Wiltert, wie hab ich dich all die Jahre geliebt!« Ihre Worte waren nur ein Hauch.
»So also denkst du über uns«, sagte der Wirt und legte seiner Frau schützend die Hand auf die Schulter. »Dabei haben wir all die Jahre versucht, dir gute Eltern zu sein. Aber wenn du meinst, einen Keil zwischen deine Mutter und mich treiben zu können, dann hast du dich geirrt. Es stimmt, du bist nicht mein Sohn. Der Pastor ist dein Vater. Glaub nicht, dass ich das nicht weiß. Deine Mutter und ich hatten niemals Geheimnisse voreinander. Im Gegenteil. Wir haben uns immer geliebt. Schon von Kindesbeinen an. Dem Pastor war das ein Dorn im Auge. Er hasste alles, was aus Liebe geboren wurde. Und so versuchte er uns auseinanderzubringen.
Er verging sich an deiner Mutter, eine Woche, nachdem wir das Aufgebot bestellt hatten. Dieser Mistkerl glaubte wohl, ich würde sie dann fallenlassen. Doch da kannte er mich schlecht!
In ihrer Not ist deine Mutter sofort zu mir gekommen. Ich habe keinen Moment gezögert, sie bei der Hand genommen und bin mit ihr auf schnellstem Weg zum Festland gefahren. Dort sind wir Mann und Frau geworden. Niemals hätte ich es diesem Teufel überlassen, die heilige Handlung vorzunehmen. Später bin ich zu ihm und habe ihm mit dem Tod gedroht, wenn er nur noch ein einziges Mal die Hand gegen deine Mutter erheben oder uns Steine in den Weg legen würde. Ich mag gutmütig aussehen, aber da unterschätzt mich mancher.« Er seufzte schwer. »Ach Wiltert, wir hatten so sehr gehofft, dass die Schlechtigkeit deines Vaters nicht auf dich kommen würde. Ich habe dich all die Jahre geliebt wie einen eigenen Sohn. Aber jetzt haben wir keinen Sohn mehr.« Trauer hatte sich in seine Stimme geschlichen.
Er half seiner Frau auf und legte seinen Arm um ihre Hüfte. »Komm, Liebes, wir haben einander, und das muss uns genügen.«
Ohne ein weiteres Wort verließen die beiden den Schankraum, und die drei Männer blieben alleine zurück.
Wiltert ballte die Hände zu Fäusten und starrte ihnen mit kreidebleichem Gesicht nach. Diesen Augenblick hatte er sich anders vorgestellt. Hasserfüllt glitten seine Augen zu Jeels. Seine Niederlagen, seine Demütigungen - alles ging auf das Konto dieses Mannes. Es musste ihm gelingen, diesen Satan zu vernichten!
Grimmige Entschlossenheit legte sich auf sein Gesicht. Jedes Mittel würde ihm recht sein. Er hatte ohnehin nichts mehr zu verlieren.
Jeels hatte noch in der Gaststube einen Blick auf Wilterts Bein geworfen, und ihm war wieder einmal bewusstgeworden, welch leidenschaftlichen Beschützer er in Benno besaß. Die Zähne des Rüden hatten eine tiefe Wunde gerissen. Sie musste
genäht werden, und so beschloss Jeels seufzend, doch noch seinen Arztkoffer zu holen. Nachdem Wiltert sich seinen eigenen Eltern gegenüber so niederträchtig und unberechenbar verhalten hatte, wollte Jeels den Vogt allerdings nur ungern mit dem Gefangenen alleine lassen. So begleitete er die beiden Männer zum Turm und machte sich von dort aus auf den Weg zurück zur Kate.
Tief in Gedanken versunken schritt er durch die mondhelle Nacht. Wiltert hatte also, genau wie er, einen Ziehvater besessen. Der Wirt und seine Frau waren herzensgute
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