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Das Geheimnis der Inselrose - Historischer Roman

Titel: Das Geheimnis der Inselrose - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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waren daraufhin zwar notdürftig geflickt worden, doch ansonsten kam keine Hilfe.
    »Eine Einladung aufs Festland wird wohl in der Tat die einzige Unterstützung sein, auf die wir hoffen können«, regte sich Tedamöh auf. »Doch wo sollen wir denn hin, ohne etwas Bares in Händen? Die Armenhäuser dort füllen, oder was? Na, da bleibe ich lieber hier!«
    »An seinem Hof wird er dich wohl nicht aufnehmen wollen«, bestätigte Jeels und zwinkerte ihr zu.
    »Da würden mich so oder so keine zehn Pferde hinbringen«, schnaubte Tedamöh. »Wir werden uns also wie immer selber helfen müssen.«
    »Wenn es recht ist, dann nehme ich eure Hilfe an.« Piet fiel das Sprechen sichtlich schwer. »Wer kommt mit und räumt schon mal den Hausrat aus?«
    Etliche schlossen sich ihm an.
    »Mein Bodenraum ist noch leer«, sagte der Pastor. »Ihr könnt ihn bis unters Dach füllen.«
    »Was ist mit Grete?« Der Bäcker nickte in Richtung einer alten Insulanerin, die sich duckte, als ob sie Angst vor Schlägen hätte.
    »Ich geh nicht aus meinem Haus«, sagte sie und trat einen Schritt vor. »Schon im Herbst hab ich es vergebens abgebrochen und mühsam mit Hilfe junger Hände wieder aufgebaut. Ich bin alt, mir fehlt die Kraft dazu. Ich hoffe lieber auf einen gnädigen Gott, der mich verschont.«
    »Da kannst du lange hoffen.« Das Mitleid in Tedamöhs Augen strafte ihre harten Worte Lüge. »Grete, wir helfen dir! Und
wenn du willst, dann findest du auch noch ein Unterkommen bei mir«, sagte sie mit beschwörender Stimme.
    Doch die Alte schüttelte nur den Kopf und wandte sich zum Gehen.
    »Wir fangen jetzt erst mal bei denen an, die Hilfe annehmen«, ordnete der Vogt entschlossen an.
     
    Und so geschah es, dass am zweiten Weihnachtstag des Jahres 1854 die Insulaner nicht zum Schmausen beisammensaßen, sondern der Not gehorchend einen nicht geringen Teil der Inselbevölkerung umquartierten. Das Wetter trieb die Menschen zur Eile an. Als die Flut am höchsten stand, wälzten sich mächtige Wogen gegen den Schutzwall und schlugen große Breschen hinein. Wellen überströmten die Insel und rissen vierzehn Inselhäuser mit sich - oder vielmehr das, was von ihnen nach dem Abbruch noch übrig geblieben war.
    Das Haus der alten Grete konnte nicht mehr gerettet werden. Die Möbel wurden hinausgetragen, während die See schon gegen die Mauern schlug.
    »Das Haus hat fürchterlich geknarrt«, erzählte Krischan später. »Als ob es sich gegen die Fluten zur Wehr setzen wollte. Wir mussten die alte Grete genauso aus dem Haus tragen wie all die anderen Sachen, und schließlich konnten wir nicht einmal mehr zur Tür heraus. Im letzten Moment sind wir aus den Fenstern gesprungen. Noch keine fünfzehn Schritte waren wir entfernt, da sahen wir, wie das Haus den Dünenhang hinunterbrach. Und dann war Gretes Zuhause einfach weg. Kein Krümelchen vom Haus mehr zu sehen. Unheimlich war das, kann ich euch sagen.«
    Später dann, als alle erschöpft in ihren Butzen lagen, viele unter fremden Dächern, legte der heftige Wind die Schwingen nieder, und das Meer rauschte sanfter, so als ob die See zufrieden wäre mit der Ausbeute des Tages. Die Menschen waren es
nicht. Manche Träne floss an diesem Abend in die Kissen. Und doch konnten sich die Insulaner glücklich schätzen, denn die Weihnachtsflut hatte kein Menschenleben gefordert.
    Jeels und Krischan waren den ganzen Tag über nicht zum Verschnaufen gekommen. Jeder helfenden Hand hatte es bedurft. Jetzt aber, als Jeels erschöpft unter seiner Decke lag, kehrten die Fragen zurück. Warum war Wemke nicht zum Gottesdienst gekommen? Hatte sich Konrads Zustand so sehr verschlechtert, dass sie ihn nicht alleine lassen konnte? Wäre nur noch Zeit gewesen, nach dem Badearzt zu sehen. Morgen, ja morgen. Jeels seufzte tief auf. Er schickte seine Gedanken zu Wemke auf die Reise, bis er erschöpft einschlief.
     
    Wiltert, der den ganzen Tag in einem Zustand entsetzten Grauens verbracht hatte, saß kerzengerade und gespannt wie eine Feder auf seinem Stuhl. Hungrig aß er das Brot und trank von dem Wasser, das ihm gebracht worden war. Fast hatte er geglaubt, sein Verstand käme ihm abhanden. Bilder waren in ihm aufgestiegen. Wasser hatte die Insel überflutet, war bis zum Dorf vorgedrungen, um schließlich den alten Turm zu erreichen. Es war höher und höher gestiegen, bis endlich die Kammer vollständig gefüllt war mit brackigem Nass. Er sah sich selbst als Leichnam. Sein aufgeschwemmter Leib donnerte wieder und

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