Das Geheimnis der Inselrose - Historischer Roman
anderen Mann gilt, und mir dazu auch noch seinen Segen geben?« Sie schwieg. Jeels zog sie an sich.
»Er wird es tun, wenn er dich wirklich liebt. Wemke, er wird darüber hinwegkommen. Ich glaube fest daran.«
Ihre Schultern bebten. »Es fällt mir so schwer, davon anzufangen, jetzt, wo er so krank und verbittert ist. Ich habe Angst, dass mir die Worte fehlen werden.«
Jeels wiegte sie sacht in seinen Armen. Sie barg das Gesicht an seinem Hals und weinte.
Unbemerkt von den beiden hatte sich auf der anderen Seite des Zimmers eine Hand auf die Klinke gelegt. Konrad war es nicht verborgen geblieben, dass Jeels das Haus betreten hatte. Mit einem Ruck öffnete er die Tür und sah Jeels und Wemke eng umschlungen dastehen.
»Ich fürchte, ich komme gerade recht!« Seine Stimme war
eiskalt. Mit zusammengekniffenen Augen betrachtete er das Bild, das sich ihm bot.
Erschrocken ließen Jeels und Wemke einander los und drehten sich zu ihm um. Doch in dem kurzen Augenblick, bevor sie sein Kommen bemerkten, hatte Konrad die glühende Liebe, die zwischen den beiden herrschte, erfasst. So war es also doch wahr, was Wilterts böse Zunge behauptet hatte. Bis zuletzt hatte sein Herz sich der Wahrheit verweigert und sich an einen Rest von Hoffnung geklammert. Doch nun erkannte Konrad mit plötzlicher Gewissheit, dass Wemke ihn niemals so lieben würde wie diesen Mann. Etwas zerbrach in ihm, und sein Herz erstarrte zu Eis.
»Betrogen. Betrogen und verraten!«, hämmerte es hinter seinen Schläfen.
Eine Ewigkeit sprach niemand ein Wort. Schließlich konnte Wemke die eisige Stille nicht mehr ertragen.
»Konrad!« Sie trat einen Schritt auf ihn zu, wollte nach seiner Hand fassen, doch er wich zurück. »Es ist nicht so, wie du vielleicht denkst …«
»Geht mir aus den Augen«, sagte er tonlos. Die leisen Worte hallten in Wemkes Ohren wie Donnerschläge. »Alle beide!«
»Sie hat nichts getan. Hören Sie uns bitte an …«, bat Jeels flehend.
Doch Konrad holte mit dem Arm aus und wies zur Tür.
»Raus!«
Auf wackligen Beinen verließ Konrad den Raum. Allein stand er nun in seiner Kammer. Er zitterte und wusste nicht, ob vor Kälte oder Erregung. Ohne nachzudenken griff er nach einem Wollumhang und hüllte sich darin ein. Die Vorhänge flatterten unruhig im kühlen Windhauch, der durch das offene Fenster drang. Es war vielleicht nicht klug, den Raum noch kälter werden zu lassen, aber er brauchte frische Luft. Konrad
stöhnte. Er glaubte wieder die Stimmen der Bediensteten zu hören, das Mitleid in ihren Augen zu sehen. Sie hatte ihn mit Jeels betrogen. Sie war zu jung, zu hübsch für ihn, hatte ihn nie geliebt. Sicher hatten sie sich hinter seinem Rücken über seine törichte Liebe amüsiert. Konrad erschauderte. Er schüttelte abwehrend den Kopf, als könne er so die Gedanken vertreiben. Dann setzte er sich auf das Bett und barg den Kopf in den Händen. Sollte er denn mit einem Schlag alles verlieren? Er würde es nicht ertragen, noch dazu in seinem Zustand. Er warf sich aufs Bett und legte die Hände vor die Augen.
»Lieber Gott, ich habe sie geliebt«, stöhnte er in die kalte Luft. »War es zu viel verlangt, auf Gegenliebe zu hoffen? War ich zu vermessen?«
Sein Kopf war erfüllt von der Erinnerung an Wemkes Anblick, als sie ihm an ihrem Hochzeitstag entgegengekommen war. Eine wunderschöne Braut in einem dunklen, mit winzigen hellen Blüten übergossenen Kleid. Er sah das zaghafte Lächeln auf ihrem Gesicht, das ihm galt. Er hatte ihr seine Hand und sein Herz gereicht, und sie war unter den Mantel seiner Obhut geschlüpft. Nie hätte er an Wemkes Loyalität gezweifelt.
Das Bild verschwand vor seinen Augen und machte einem anderen Platz. Er sah sie vor sich, in Jeels’ Armen liegend. Ihren Körper eng an seinen geschmiegt.
»Warum?«, flüsterte Konrad in seine Hände und drückte sie noch fester gegen sein Gesicht. »Warum?«
Wemke saß regungslos in der Stille ihres Zimmers, während Freya vor dem lodernden Kamin mit Holzklötzen spielte. Sie trug ein schwarzgraues Wollkleid, eine düstere Tracht, die zu ihrer Stimmung passte. Immer wieder hatte sie den schrecklichen Augenblick durchlebt. Tausendmal hatte sie sich verflucht, denn nichts war die bittere Qual wert, die sie in Konrads
Augen gesehen hatte. Das erzwungene Schweigen, das seither um sie war, zehrte an Wemkes Nerven.
Jeels hatte wieder und wieder versucht sie zu überreden, mit ihm zu kommen. Doch Wemke war zu keinem Schritt fähig. Sie
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