Das Geheimnis der Inselrose - Historischer Roman
standen darauf. Ich habe geglaubt, sie seien für die Patienten. Doch es ist Ihre Medizin, nicht wahr?«
Der Arzt sank in sich zusammen. »Ich fürchte, du hast Recht. Hilde, ich sag es nicht gerne, aber ich bin sehr krank. Ein bösartiger Tumor wächst in mir.«
Hilde lehnte sich Halt suchend gegen den Apfelbaum vor der Bank. »Dr. Hanken, ich kenne die Medikamente. Meine Schwester starb nach langer Krankheit. Ein solches Präparat nahm sie ein, als es keine Hoffnung mehr gab.« Ihre Augen bohrten sich in die des Arztes und baten ihn stumm, ihr zu widersprechen.
Doch Thomas schwieg, und schließlich nickte er nur müde. »Ich kann es nicht abstreiten: Du liegst mit deiner Befürchtung leider richtig«, sagte er schwer seufzend. »Ich werde sterben, Hilde.« Er hob den Kopf und blickte sie traurig an.
Die Haushälterin stieß einen Schluchzer aus, und Tränen rannen über ihre runzligen Wangen. Bebend ließ sie sich neben ihn auf die Bank sinken.
Der Arzt legte sanft eine Hand auf ihren Arm. »Ich verberge die Erkrankung nun schon eine lange Zeit vor dir und Jeels. Was hätte es gebracht, euch beide damit zu belasten. Außerdem fehlte mir der Mut, es euch zu sagen. Doch nun läuft mir die Zeit davon.«
»Jeels muss es wissen!«, rief Hilde aus. Weinend griff sie nach seinen Händen. »Vielleicht kann der Junge Ihnen helfen. Er hat so viel gelernt während des Studiums.«
»Es gibt keine Hilfe!« Die Stimme des Arztes klang bitter. »Die Krankheit ist unheilbar. Wer sollte es besser wissen als ich.« Verzweifelt fuhr er fort: »Ich muss dem Jungen noch so viel erklären und hätte dies schon vor Jahren tun sollen. Du weißt, was ich meine. Hilde, ich bin ein feiger Mensch!«
»Sie doch nicht, Dr. Hanken!« Hildes Gesicht spiegelte Empörung wider.
Der Arzt schüttelte nur abwehrend den Kopf. »Hilde, in meinem Arbeitszimmer liegt ein Umschlag auf dem Schreibtisch. Ich habe heute alles aufgeschrieben, was Jeels wissen muss. Es hat mir gutgetan, so als ob ich eine große Last abgeworfen hätte. Und es wird mir noch bessergehen, wenn ich heute Abend mit dem Jungen gesprochen habe.« Er schloss für einen Moment die Augen. »Wenn Jeels mir aus irgendeinem Grund nicht mehr zuhören will, dann kannst du ihm später den Umschlag bringen. Dich wird er nicht zurückweisen.«
»Dr. Hanken, sorgen Sie sich nicht.« Beruhigend strich sie ihm über die Hände. »Jeels liebt Sie. Er ist ein so guter Junge und wird alles verstehen, glauben Sie mir!«
»Ich weiß es nicht, Hilde.« Sein Gesicht war grau und die Stimme brach ihm. Doch dann fasste er sich wieder. »Würdest du mir die Medikamente von meinem Nachttisch holen? Ich fühle mich noch nicht so gut, und sie werden helfen, zumindest für eine Weile. Ich werde hier ganz ruhig sitzen bleiben und mich ausruhen.«
Zögernd stand die Haushälterin auf und kehrte so rasch wie möglich mit der Medizin und einem Becher Wasser zurück. »Kann ich Sie wirklich alleine lassen?«
Thomas griff nach der kleinen Flasche. »Geh ruhig, meine Liebe. Es ist alles gut!«
Als er die Medizin eingenommen hatte, verlangsamte sich sein Herzschlag. Die Schmerzen ließen nach, und eine große Ruhe breitete sich über allem aus. Thomas sah zu den Wolken auf, die wie riesige Schiffe durch das Blau des Himmels schwebten. Für einen Augenblick wünschte er sich nichts sehnlicher, als mit ihnen tauschen zu können. Einfach all dem entfliehen, was ihn hier auf Erden quälte. Er dachte, wie schon so oft in letzter Zeit, an Reemke. Ihr Bild zog durch seine Gedanken, als sei es gestern gewesen, dass er sie gefunden und sogleich wieder verloren hatte. Sein Blick fiel auf die dunkelrote Blüte einer Frühlingsblume. Er beugte sich vor und pflückte sie. Was für ein Rot! So braunrot wie das Haar von Reemke. Er sog den süßen Duft ein und lehnte sich mit geschlossenen Augen zurück. Geräusche drangen an sein Ohr, die er sonst nur in seinen Träumen vernahm. Es war ihm plötzlich, als sei er auf die Insel Wangerooge zurückgekehrt. Ganz deutlich hörte Thomas das Rauschen der Wellen. Er konnte fast den Sand unter seinen Füßen spüren. Seine Augen suchten den Strand ab, und da war sie. Reemke! Mit ausgestreckten Armen lief sie ihm entgegen. Das rote Haar wehte im Wind und ihre grünen Augen strahlten. Sie fiel ihm in die Arme, und ein nie gekanntes Glückgefühl durchströmte ihn. Er fühlte sich, als sei er nach langer Reise zu Hause angekommen.
»Ich habe auf dich gewartet.« Ihre Stimme war
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