Das Geheimnis der Inselrose - Historischer Roman
schiefen Grinsen. »Solange ich dir kein Härchen krümme, lässt der Benno mit sich reden.«
Jeels lächelte und strich dem Hund über den Rücken. Dieser riss das Maul auf und gähnte herzhaft. Am frühen Morgen hatten sie gemeinsam die nähere Umgebung erkundet. Dazu war gestern keine Zeit gewesen. Auf Jeels’ Weisung hin hatte Krischan am Vortag Nägel und Werkzeug besorgt und auch einen Zimmermann bestellt.
»Der Kaufmann hat Mund und Ohren aufgesperrt, als ich bar bezahlt hab«, hatte Krischan ihm gleich bei seiner Heimkehr stolz berichtet.
Jeels lächelte in sich hinein. Vor sich sah er noch das Wechselgeld, sorgfältig von Krischan der Größe nach aufgestapelt. Wie feierlich er es ihm vorgezählt hatte. Als ob ihm gleich ein Orden verliehen würde!
Und dann waren sie gemeinsam an die Arbeit gegangen. Es
hatte Freude bereitet, das Inventar der Kate wieder herzurichten. Was ihnen nicht gelang, das war von dem Zimmermann repariert worden, der bis in den Abend hinein gewerkelt hatte. Nach seinem Aufbruch waren die beiden Männer wie tot in ihre Alkoven gefallen.
Aber heute, das hatte Jeels sich am Morgen geschworen, heute musste Zeit für anderes bleiben. Nach einem sehr frühen Spaziergang mit Benno hatte er den bärtigen Riesen mit einem üppigen Frühstück überrascht und ihm dabei so einiges über sich erzählt. Auch, dass er hier auf Wangerooge geboren war und nach seinen Wurzeln forschen wollte. Krischan hatte, entgegen seiner sonstigen Gewohnheit, zu allem eine Bemerkung abzugeben, einfach nur zugehört.
Jetzt musterte er Jeels aus den Augenwinkeln. »Wirst enttäuscht sein, das sag ich dir! Vom Friedhof, meine ich. Da gibt es nichts außer ein paar Hügelchen.«
»Ich will mehr über meine Mutter erfahren, Krischan, und irgendwo muss ich ja anfangen.«
Jeels machte Anstalten zu gehen, doch der Riese zog ihn am Ärmel. »Wenn du am Strand entlang willst, ist jetzt nicht die richtige Zeit. Bei Flut baden die Gäste, und es ist verboten, sich am Wasser blicken zu lassen. Im Dorf haben sie sogar eine Polizeiverordnung aufgehängt.« Krischan schnaubte verächtlich. »Die Mamsell und ihr Gefolge ziehen an ihren Fäden, und wir tanzen! Besser gesagt, sie hissen die Flagge am Leuchtturm, und wir machen uns dünne. Erst wenn diese eingezogen wird, dürfen wir armen Insulaner auch wieder Sand und Wasser unter den Füßen spüren. Na ja.« Er zuckte mit den Schultern. »Was mich angeht, so hält sich das Verlangen in Grenzen, die Frau Geheime und Ihresgleichen wie von Gott geschaffen zu bewundern.« Er machte ein schmerzerfülltes Gesicht. »Mir reicht immer schon ihr Mundwerk.«
»Mich macht die Vorstellung schon neugierig.« Jeels schmunzelte.
»Die Gäste baden also bei Flut. Dann müssen die Badezeiten ja täglich wechseln.«
»Jau«, bestätigte Krischan nickend, und sein Pinsel strich auf und ab, als gelte es, das ganze Haus an einem Tag zu streichen. »Dr. Hoffmann, der unser Badearzt ist, prüft jeden Morgen mit seinem Thermometer gewissenhaft die Temperatur des Wassers und entscheidet dann, wann und ob die Baderei für wen erlaubt ist. Du kannst dir nicht vorstellen, was für ein Theater darum gemacht wird.« Er verdrehte die Augen. »Hat schon Heulen und Zähneklappern gegeben deswegen. Die festgelegten Badezeiten von Herrn Hoffmann sind Gesetz! Sogar die Mahlzeiten der Gäste richten sich danach. Erst nach dem Meerbad dürfen die Leutchen zu Mittag. Da lässt der Doktor nicht mit sich spaßen. Die Badeweiber erzählen, dass schon so mancher Magen lauter geknurrt habe, als die Wellen singen.«
Jeels lachte. »Aber was auf den Tisch kommt, das bestimmt doch sicher die Hofrätin, oder?«
»So ist es. Sie soll die feinsten Sachen anbieten, heißt es. Hat sich extra Köche vom Festland kommen lassen und jede Menge Lakaien, die denen zur Hand gehen. Da ist nichts mit Milchbrei am Morgen, Fisch zu Mittag und abends die Reste vom Tag. Ein ganzes Kochbuch voller Rezepte hat die Frau Geheime zusammengestellt, und danach haben sich die Köche zu richten. Ach, was sag ich!« Er machte mit dem Pinsel in der Hand eine wegwerfende Bewegung. »Nicht nur die Köche, alle haben sich in allem nach der Hofrätin zu richten. Sogar die Gäste müssen nach ihrer Pfeife tanzen. Wenn die Frau Geheime beim Abendessen mit den Füßen scharrt, dann sind auf einmal alle satt und springen auf. Also, ich möchte nicht Gast sein bei der!« Seine Zungenspitze lugte aus einem Mundwinkel hervor, während er sorgfältig den
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