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Das Geheimnis der Inselrose - Historischer Roman

Titel: Das Geheimnis der Inselrose - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Pinsel an einer schwierigen Stelle ansetzte.

    Er arbeitet für drei, dachte Jeels und schmunzelte in sich hinein. Es hatte ihm noch keinen Moment leidgetan, den Strandstreicher angestellt zu haben. Krischan wusste alles, und seltsamerweise konnte er auch fast alles. Es war nicht zu verstehen, wie die Insulaner sich so in einem Menschen hatten täuschen können.
    Heute Nachmittag würde er einige von ihnen kennenlernen. Die Einladung in den Gasthof Zum Ankerplatz war gestern vom Zimmermann ausgesprochen worden. Mit gemischten Gefühlen sah Jeels dem Zusammentreffen entgegen. Wie würden die Insulaner ihm begegnen?
    Um sich abzulenken schaute er zum Fenster hinaus auf die Dünen. Es war ein schöner Tag, und die Sonne schien von einem fast makellos blauen Himmel. Der stetige Wind trieb ein paar einsame Wolken wie Schäfchen vor sich her. Das Rauschen der Wellen war ihm schon heute so vertraut, dass er es kaum mehr wahrnahm.
    Jeels löste die Augen von der Landschaft und gab sich einen Ruck. Da war noch etwas, das er wissen musste.
    »Krischan, du lebst ja nun schon so einige Jährchen hier auf der Insel, scheinst alle Insulaner zu kennen und die Insel selbst wie deine Westentasche. Ich hab mich bisher nicht zu fragen getraut, aber ich muss es wissen: Hast du eigentlich meine Mutter gekannt?«
    Der Hüne ließ den Pinsel sinken und seufzte. »Hab mir schon gedacht, dass diese Frage noch kommt.« Er nahm die Arbeit wieder auf und erwiderte, ohne Jeels anzuschauen: »Richtig gekannt hab ich sie nicht. Aber wer sie war, das wusste ich wohl. Hatte rotes Haar, genau wie du, und auch solche Augen. Hab sie ab und zu im Dorf gesehen. Obwohl sie ja mehr für sich blieb. Hatte mit den anderen Frauen nicht viel gemein. Sie war eben anders.«
    Jeels sah ihn forschend an. »Wie meinst du das, anders?«

    »Tja.« Krischan kratzte sich am Kopf. »Sie lebte eben ganz allein hier in ihrer Kate, mit dem bisschen Vieh. Mit den andern Insulanern hatte sie nicht viel zu schaffen. Mensch, Jeels, du weißt es doch sicher von dir selbst. Wenn man rote Wolle auf dem Kopf hat und außerdem so merkwürdig grüne Augen, dann reicht das doch eigentlich schon, um von den andern komisch angeschaut zu werden, nicht? Aber sie wusste auch noch viele Dinge, die eigentlich kein Mensch wissen konnte.« Er rang nach den richtigen Worten. »Sie wusste viel. Zu viel , wenn du verstehst, was ich meine.«
    Jeels runzelte die Stirn. »Nein, das versteh ich nicht.«
    Krischan fühlte sich sichtlich unwohl in seiner Haut. »Na ja, sie wusste mehr, als gut für sie war.« Er warf die pinsellose Hand in die Luft. »Konnte sagen, wann das Wetter sich änderte, wann Sturm aufzog und die Fluten hoch wurden. Aber auch ob und wann das Vieh Nachwuchs bekam. Die Frauen gingen heimlich zu ihr, wenn sie keinen Mann finden konnten oder sich kein Kind einstellen wollte. Dann wusste sie am besten, wie damit umzugehen war. Sie hatte Kräuter und holte sich auch Sachen aus dem Meer. Und die halfen dann manchmal tatsächlich. Und, ob du es glaubst oder nicht«, er flüsterte nun fast, »sie konnte Kranke heilen. Nur mit ihren Händen und ganz ohne Messer und Blut. Tja, und all das zählen die Leute zusammen. Und - eins, zwei, drei - kommt eine Teufelei dabei heraus.« Er schwieg eine Weile, bevor er in eindringlichem Ton ausstieß: »Die Menschen hier hatten Angst vor ihr, so einfach ist das!«
    Jeels verdrehte die Augen. »Was du aufgezählt hast, das sind alles Dinge, die man erklären kann. Das ist doch wohl nicht Grund genug, einen Menschen zu meiden. Meine Mutter war sicherlich ein ganz gewöhnlicher Mensch mit der gleichen Sehnsucht nach Gemeinschaft wie alle anderen auch. Mit dem einzigen Unterschied, dass sie einige Gaben besaß, die ihr ohne ihr Zutun in die Wiege gelegt wurden.«

    »Die Insulaner hatten Angst vor ihr«, beharrte Krischan. »Und das war Grund genug, deiner Mutter aus dem Weg zu gehen. Für mich jedenfalls, und sicherlich auch für die meisten anderen. Außerdem«, er stockte kurz, und brachte den Satz dann schnell zu Ende, »war da ja noch die Sache mit dem Vollmond.«
    »Was für eine Sache?«, fragte Jeels misstrauisch.
    Der Hüne seufzte. »Das mag ich eigentlich nicht erzählen.«
    »Krischan!«, rief Jeels vorwurfsvoll aus.
    »Ist ja gut!«, lenkte dieser ein. »Wie ich dich kenne, wirst du ja doch nicht lockerlassen.« Er warf einen Seitenblick auf Benno, der Jeels zu Füßen lag.
    Letzterer sah ihn nur auffordernd an.
    Krischan ließ den Pinsel

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