Das Geheimnis der Inselrose - Historischer Roman
geschrieben!«
Die Wirtin zuckte zusammen, ging aber nicht noch einmal auf die Worte des Kindes ein. Sie wandte sich Jeels zu.
»Und Ihnen vielen Dank, dass Sie sich meinem manchmal etwas aufbrausenden Sohn entgegengestellt haben. - Wozu dir ja wohl die nötige Klugheit gefehlt hat«, sagte sie tadelnd an ihren Mann gerichtet.
Der Wirt machte ein betretenes Gesicht, und die anderen Männer wandten sich verlegen wieder ihren Karten und den Getränken in den Krügen zu. Das ein oder andere Wort wurde noch über die Sache verloren, doch dann fanden sich neue Gesprächsthemen. Hannes blickte Jeels an, der immer noch unentschlossen im Raum stand.
»Wollen Sie sich nicht zu uns setzen? Ich glaube, alle möchten Sie näher kennenlernen.«
Jeels bemerkte, dass sie von den anderen Tischen aus beobachtet wurden.
»Sehr gerne«, erwiderte er. »Aber ich bin nicht allein hier.« Er wies auf Krischan, der konzentriert auf seine Fußspitzen starrte. »Vielleicht können wir für Krischan noch einen Stuhl dazustellen.«
Die Männer machten fassungslose Gesichter. Jeels konnte ihre Gedanken förmlich hören: Mit dem Strandstreicher sollten sie sich an einen Tisch setzen? Der Wirt schien schon aufbrausen zu wollen, doch dann zwangen ihn Jeels’ Augen, seine Wut hinunterzuschlucken.
»Setzen Sie sich endlich«, stieß er mit zusammengepressten Lippen hervor. Jeels schüttelte entschieden den Kopf. »Ich will niemanden kränken, doch ohne Krischan setz ich mich nirgends hin. Er arbeitet viel und gut für mich. Da würde ich gern an unserem freien Nachmittag ein Bier mit ihm trinken.«
Der Zimmermann stand auf und holte einen zweiten Stuhl.
»Na gut.« Das Zugeständnis fiel dem Wirt ganz offensichtlich schwer. »Setz dich, Krischan.«
Der massige Mann ließ sich mit gesenktem Kopf auf den Stuhl fallen. Mit einer kleinen Verbeugung in Richtung der anderen Männer ließ sich nun auch Jeels nieder. In seinem Gesicht standen weder Schadenfreude noch Triumph.
Der Zimmermann, der inzwischen ebenfalls auf seinen Platz zurückgekehrt war, senkte seine Nase tief in den Bierkrug. Er war vielleicht der Einzige, den die Szene zum Lachen reizte. Dem Fremden war es gelungen, den störrischen Insulanern ganz sanft seinen Willen aufzuzwingen, und Hinrich gönnte ihm seinen Sieg. Wie hatten sich die anderen über ihn lustig gemacht! Und nun steckte er sie alle in die Tasche. Das gefiel ihm. Das gefiel ihm sogar sehr gut! Wenn es so weiterging, dann würde selbst die Frau Geheime vor diesem Mann die Waffen strecken.
11
W emke stand mit Freya im Arm an Deck und sah zu, wie das Land langsam entschwand. Kleiner und immer kleiner wurden der grüne Deich, die Bäume dahinter, die Häuser und Mühlen, deren sich drehende Flügel nicht größer wirkten als Blumenstängel. Freya strahlte und winkte aufgeregt mit ihren kleinen Ärmchen, doch in Wemke stiegen Tränen auf. Warum verspürte sie keine Erleichterung darüber, alles hinter sich zu lassen? Am liebsten wäre sie sofort wieder von Bord gegangen und zu ihrem sorgenvollen, aber vertrauten Leben zurückgekehrt. Doch es war zu spät.
Wemke überdachte zum zigsten Mal die Ereignisse der vergangenen Tage. Keinem hatte sie die Wahrheit darüber gesagt, warum sie Jever verließ. Alle glaubten, es hätten sich nun doch noch Verwandte gefunden, die dem Kind und ihr eine Heimat geben würden, und sie hatte diese Vermutung nicht abgestritten. Der Abschied war ihr nicht schwergefallen, denn mit keinem Menschen verband sie eine besondere Freundschaft. Wie merkwürdig, dass die Frau Justizrätin, die sie nur verärgert und ungeduldig kannte, ihr auf einmal geschmeichelt hatte, ja sie sogar zum Bleiben hatte überreden wollen. Doch sie konnte ihre Entscheidung nicht mehr rückgängig machen. Außerdem hatte sie keine Wohnung mehr. Die Vermieterin war erleichtert über ihren Auszug gewesen, und am Ende hatte Wemke es kaum erwarten können, endlich an Bord zu gehen.
Nun aber, da das Schiff sie weit weg von allem trug, stiegen
Verzweiflung und Schuldgefühle in ihr auf. Der neue Anfang, ihr neues Leben, hatte einen hohen Preis. War ihr Vorhaben wirklich richtig? Konnte es überhaupt richtig sein? Heiraten sollte man nur aus Liebe und nicht zum eigenen Vorteil. Wie hatten die anderen Dienstmädchen stets auf Männer geschimpft, die sich um Macht und Geld willen reiche Frauen nahmen. Und genau so handelte sie jetzt auch! Musste nicht ein Unglück daraus erwachsen?
Die lange zurückgedrängte
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