Das Geheimnis der Inselrose - Historischer Roman
sah seine Mutter an wie ein unliebsames Insekt und wandte sich dann hasserfüllt Jeels zu.
»Mutter duldet keine Schlägerei im Haus. Aber glaub mir, das wird dir noch leidtun!«
Ein kühler Blick aus grünen Augen traf ihn. »Ich möchte mich bei Ihnen für den Tritt entschuldigen. Niemand hat das Recht, einen anderen zu verletzen. Ich konnte das einfach nicht mit ansehen, und zu meiner Schande muss ich gestehen, dass mir außer Treten nichts anderes eingefallen ist, um Sie am Schlagen zu hindern«, sagte Jeels ruhig.
»Pah«, fauchte der Wirtssohn. »Was soll dieses Gewäsch?«
Aus seinen Worten sprach Verachtung, doch dann, ganz plötzlich, wich er mit erhobenen Händen zurück. Seine Augen weiteten sich erschrocken, als hätte er gerade einen Geist gesehen.
Die anderen Gäste verfolgten das Geschehen wie gebannt. Sie raunten einander zu, und so manch gespannter Blick flog zwischen den Männern hin und her. Der Wirtssohn hatte sich wieder gefasst, doch er schien sich in seiner Haut nicht mehr wohlzufühlen. Er drehte sich den Gästen zu.
»Was glotzt ihr denn so?«, rief er. »Ich habe das Recht, den Onno zu schlagen, bis er die Wahrheit sagt. Er hat mich schließlich bestohlen!«
»Du schlägst hier niemanden mehr«, mischte sich nun die Wirtin ein. »Und wenn hier jemand bestohlen wurde, dann dein Vater und ich.« Sie warf ihrem Sohn einen Blick zu, der ihn zusammenzucken ließ. Er ballte die Hände zu Fäusten, als wollte er so verhindern, dass sie einem der Anwesenden ins Gesicht flogen.
»Ihr werdet euch eines Tages noch alle wundern, besonders dieser rothaarige Teufel da!« Er drehte sich um und schlug die Tür mit einem Krachen hinter sich zu.
Jeels hatte sich inzwischen zu Krischan gesellt, in dessen Griff immer noch der Junge zappelte. »Bist du wirklich unschuldig?«, fragte er.
Als der Junge schwieg, schüttelte Krischan ihn leicht. »Sofort gibst du Antwort, Onno. Sonst kriegst du es mit mir zu tun!«
»Kennst du ihn?«, wandte Jeels sich an seinen Freund.
»Aber sicher kennt er mich«, rief der Junge aus. »Doch so sauber, wie er jetzt aussieht, und so ordentlich gekleidet hätte ich ihn fast nicht erkannt!«
»Halt du dich mal still«, knurrte Krischan. »Musst du dich eigentlich immer in Schwierigkeiten bringen, du Bengel? Irgendwann schlagen sie dich hier nochmal tot. Und nun sagst du die Wahrheit. Und wage es ja nicht, diesen Herrn hier anzulügen.«
»Aber Krischan!« Die Stimme des Jungen klang vorwurfsvoll. »Ich dachte, wir wären Freunde.«
»Das hat damit nichts zu tun. Du sagst jetzt die Wahrheit. Hast du das Geld genommen?«
»Nein.« Der Junge senkte den Kopf. »Ich habe mir nur ein Stück von dem Kuchen holen wollen, der auf der Fensterbank zum Abkühlen stand.« Seine Augen glitten furchtsam zum Gastwirt. »Dabei habe ich gesehen, wie Wiltert Geld aus der Kasse genommen hat!«
Alle im Raum Anwesenden hatten die Worte des Kindes vernommen, und für einen Herzschlag war es totenstill. Dann brach ein Donnerwetter über das Kind herein.
»Das ist ja wohl die Höhe!«, wetterte Hannes. »Erst bestiehlt dieser Tölpel uns, und nun verbreitet er auch noch Lügen über meinen Sohn.«
»Der Junge ist so harmlos wie ein junger Seehund im Wasser«, dröhnte Krischans Donnerstimme durch die Gaststube. »Und das wisst ihr auch alle! Was man ihm vorwerfen kann, ist Neugier, das nicht zu knapp, und natürlich der Hunger, der ihn immer treibt. Ihr wisst ja wohl auch, dass seine Großmutter kaum je genug hat, um ihn satt zu kriegen.«
»Na, Krischan«, warf einer der Gäste mit erhobenem Zeigefinger ein, »mit dir hat der Junge ja gerade den richtigen Fürsprecher.«
Diese Anspielung auf seinen schlechten Ruf ließ Krischans Gesicht rot anlaufen, doch dann sah er den anderen fest in die Augen. »Ich sag euch nur, wie es ist.«
Onno war während Krischans Rede sichtlich in sich zusammengesunken. Jetzt fing er leise an zu weinen.
Jeels beugte sich zu ihm hinab. »Ist es so schlimm für dich?«
Der Junge schüttelte den Kopf. »Mein Arm tut mir nur so weh! Ich merk erst jetzt so richtig, wie es darin pocht. Ich glaub, der Wiltert hat mir was gebrochen.«
Jeels zögerte, doch dann zuckte er die Schultern. Es war ihm egal, was die anderen dachten. Aufgefallen war er ohnehin schon genug. Da kam es auf ein bisschen mehr auch nicht mehr an.
»Können Sie mir ein wenig Speiseöl bringen?«, fragte er die Wirtin.
Diese machte ein verblüfftes Gesicht, nickte dann aber und eilte in die
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