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Das Geheimnis der Inselrose - Historischer Roman

Titel: Das Geheimnis der Inselrose - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Tränenflut drohte hervorzubrechen, doch Wemke riss sich zusammen. Bebend nahm sie einen tiefen Atemzug und straffte die Schultern. Bei ihr war es anders! Es war keine Berechnung im Spiel. Sie nahm diese Heirat in Kauf, weil sie es tun musste. Und sie tat es nicht für sich alleine. Vielleicht war das der große Unterschied. Liebevoll betrachtete Wemke das Kind in ihren Armen. Sie setzte Freya in den kleinen Korbwagen und gab ihr einen Holzring zum Spielen.
    Sie würde jetzt nicht jammern und Vergangenes betrauern. Es war zu spät. Sie musste sich mit ihrem Schicksal anfreunden. Warum nicht jetzt gleich damit beginnen?
    Seufzend schloss Wemke die Augen und überließ sich dem Schaukeln der Wellen. Das Schiff trug sie in ein neues Leben, alle alten Ketten waren gelöst. Für die Zeit der Überfahrt war sie niemandem verpflichtet außer sich selbst. Wann war sie das letzte Mal so ungebunden gewesen? Was für ein Gefühl! Wemke versuchte, es tief in sich aufzunehmen, die Freiheit bis ins Letzte auszukosten. Sie hob das Gesicht der Sonne entgegen und ließ sich vom Wind liebkosen.
    Doch allzu schnell war die Überfahrt vorbei. Wangerooge kam in Sicht, und der Anblick beschwor die bangen Fragen wieder herauf. Wemke versuchte Ruhe zu bewahren und gesellte sich zu den anderen Reisenden an die Reling. Möwen kreisten über der Insel. Wemke erkannte einen hohen Turm,
um den sich mit Ziegeln gedeckte Häuser gruppierten. Aus der Entfernung glich Wangerooge einer kleinen auf dem Wasser schwimmenden Stadt.
    Von weitem schon sah Wemke eine aufgeregt gestikulierende Menschenmenge. Auf einer nahe gelegenen Düne befand sich ein Pavillon, in dem Musiker standen. Es gab keinen Zweifel, die neuen Gäste wurden erwartet.
    Wemkes Herz begann zu hämmern. Gleich würde sie nicht nur der Geheimen Hofrätin gegenüberstehen, sondern auch dem Mann, dessen Braut sie sein sollte! Ihre Augen suchten die Reihen der Wartenden ab, doch sie konnte die Hofrätin nicht entdecken.
    Wemke nahm Freya hoch und drückte das schläfrige Kind eng an ihre Brust. »Schau, das ist die Insel Wangerooge, unser neues Zuhause, mein Schatz«, raunte sie ihr mit mehr Freude ins Ohr, als sie empfand.
    Als ob die Kleine ihre Worte verstanden hätte, erstrahlte das runde Gesicht vor Glück. Auf beiden Seiten des kleinen Mundes tauchten Fältchen auf, die zu Grübchen wurden. Freya brabbelte unverständlich vor sich hin, und ihre kurzen Finger fuhren liebevoll über Wemkes Gesicht.
    Wangerooge kam immer näher, und schließlich hielt das Dampfschiff Telegraph auf der Reede vor der Insel. Wemke konnte einige Fischerboote ausmachen, die im Wasser dümpelten. An Land warteten schon Pferdekutschen auf die Anreisenden. Sie waren mit Kränzen, Blumen und Girlanden geschmückt, und der größte Wagen trug zudem ein Banner, auf dem »Herzlich willkommen« stand. Sogar die Pferde waren bekränzt. Gewichtig hatten sich die Kutscher neben den Wagen aufgebaut. Sie hatten Schirmmützen auf dem Kopf, und die Knöpfe an ihren blauen Jacken glänzten blankpoliert.
    Die wartenden Inselgäste sahen den Ankömmlingen neugierig entgegen. Sie trugen allesamt Kleidung, die eher für eine
Festlichkeit geeignet schien. Wemke konnte Inselbewohner im guten Zwirn, aber auch andere in Arbeitskleidung ausmachen. Und plötzlich entdeckte sie inmitten der wartenden Menge die Hofrätin, die mit zusammengekniffenen Augen nach etwas Ausschau hielt.
    »Sie sucht nach mir«, wurde es Wemke schlagartig bewusst, und in ihr wuchs der Wunsch, sich zu verstecken.
    Neben der Hofrätin stand ein großer, schlanker Mann. Er war auf eine strenge Weise gut aussehend, mit einem langen, schmalen Gesicht und an den Schläfen ergrautem Haar. Wemkes Unbehagen stieg. Sollte das der Mann sein, den sie heiraten würde? Oder war es etwa der dickere Herr im Gehrock mit dem roten Stiernacken und dem Zylinderhut? Eine große runde Knollnase prangte in seinem Gesicht. Immer wieder fuhr er sich mit einem Tuch über die schweißnasse Stirn.
    Unwillkürlich trat Wemke einige Schritte zurück. Die anderen Fahrgäste dagegen wurden unruhig und drängten sich darum, als Erste das Schiff verlassen zu dürfen. Kleine Boote der Insulaner holten sie ab, und während sie auf das Ufer zuruderten, begann die Kapelle zu spielen. Aus der Menge wurden Hurra-Rufe laut. Hüte wurden gelüftet und Hände geschüttelt.
    Lange verharrte Wemke noch auf dem Dampfer, doch schließlich gab es keinen Grund mehr zu bleiben. Sie verließ als eine der

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