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Das Geheimnis der Inselrose - Historischer Roman

Titel: Das Geheimnis der Inselrose - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Frühlingssonne geradezu auf ihren Kopf zu lenken. Sie fühlte sich mittlerweile am ganzen Körper verschwitzt. In dem Batisthemd, den knöchellangen Unterhosen, dem Unterrock mit den zwei Volants und dem hellblauen Kleid glaubte sie ersticken zu müssen. Den Umhang hatte sie sich über den freien Arm gehängt.
    Als sich die allgemeine Aufregung etwas gelegt hatte, wandte sich Wemke erneut der Hofrätin zu. Die Gäste waren mittlerweile alle zu den Pferdekutschen geleitet worden und befanden sich auf dem Weg zu den Quartieren. Die geheime Hofrätin entdeckte Wemke, und ein Strahlen breitete sich auf ihrem Gesicht aus.
    »Ah, da sind Sie ja!«, rief sie. »Nun kommen Sie doch näher, meine Liebe!« Sie winkte Wemke zu sich heran und wandte sich dann dem schlanken Mann an ihrer Seite zu. »Wie ich es gesagt habe, Dr. Hoffmann, das versprochene Goldkind ist da!« Sie klatschte in die Hände. »Und ist sie nicht eine Augenweide?«
    Doch der Mann zu ihrer Rechten blickte nur starr auf das Kind in Wemkes Armen. Jetzt erst bemerkte auch die Hofrätin Freya. Das Strahlen in ihrem Gesicht erlosch. Es spiegelte sich zunächst Verblüffung, dann Fassungslosigkeit und schließlich Entsetzen in ihrer Miene. Dann färbte sich das Gesicht der Hofrätin rot. Sie machte den Mund auf und zu wie ein Fisch auf dem Trockenen, doch es kam kein Wort heraus.
    »Sie haben ja ein Kind!«, presste sie schließlich hervor. Ihre Stimme bebte, und sie sah Freya an, als sei diese ein besonders hässlicher Käfer.
    Wemke konnte sich das Verhalten nicht erklären.»Ich habe
Ihnen doch von ihr erzählt.« Sie strich Freya zärtlich über den blonden Schopf.
    Die Hofrätin schüttelte entschieden den Kopf und trat näher an die beiden heran. »Nein! Sie haben mir von einer zurückgebliebenen Schwester erzählt!«
    Wemke runzelte die Stirn. »Das haben Sie missverstanden. Ich wollte den Irrtum noch korrigieren, doch …«
    »Das ist nicht wahr!« Die Stimme der Hofrätin klang schrill, und man konnte förmlich sehen, wie es hinter ihrer Stirn arbeitete.
    Beruhigend strich der Hofrat seiner Gattin über den Arm. »Finchen, meine Liebe, lass die junge Frau doch ausreden!«
    Sie wischte seine Finger ungeduldig weg und baute sich vor Wemke auf. Angewidert musterte sie ihr Gegenüber von oben bis unten. Und dann entlud sich ein so gewaltiges Donnerwetter über Wemke, dass diese wie vom Blitz getroffen dastand und kaum mehr wagte zu atmen.
    »Das ist ja wohl die größte Unverschämtheit, die mir je untergekommen ist! Sie haben es als ledige Mutter gewagt, die von mir angebotene Stellung anzunehmen. Sie haben mich getäuscht und lächerlich gemacht, und das willentlich. Aber ich werde mir Derartiges nicht bieten lassen. Glauben Sie nur ja nicht, dass ich mich von dem Kind auf Ihrem Arm erweichen lasse und Sie in Stellung nehme! Nichts davon. Gehen Sie mir aus den Augen und dorthin zurück, wo Sie hergekommen sind. Sie Lügnerin, Sie Betrügerin!«
    Um sie herum war es vollkommen still geworden. Neugierig reckten einige verbliebene Insulaner die Hälse.
    Wemke wurde schneeweiß im Gesicht. Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe Sie nicht getäuscht, bestimmt nicht! Es ist nicht wahr, dass Freya…«
    Die Hofrätin Bartling schnitt ihr mit einer Handbewegung das Wort ab. »Sie sind doch ledig, oder etwa nicht?«

    »Ja, aber …«
    »Nichts aber! Schweigen Sie still! Ich glaube Ihnen kein Wort mehr.« Sie drehte sich zu der kleinen Menschenmenge um. »Ist ihr das Gör nicht wie aus dem Gesicht geschnitten?«
    Etliche nickten eilfertig.
    »Und der Vater, wo ist der?« Die Frage der Hofrätin kam wie ein Pistolenschuss.
    »Er ist tot«, sagte Wemke leise und ihre Stimme drohte zu brechen. Inmitten der Erniedrigung, der Bloßstellung und der Anschuldigung, eine Lügnerin zu sein, war die Erinnerung an ihren verstorbenen Vater der grausamste Schlag von allen. Ihr Herz schwoll bis zum Bersten an, als sie gegen die Tränen kämpfte. Doch dann konnte sie sie nicht mehr zurückhalten.
    »Weinen Sie um den Mann, der Sie verlassen hat, oder darüber, dass Ihre Täuschung keinen Erfolg hatte?«, fragte die Hofrätin spitz.
    »Er starb«, korrigierte Wemke leise schluchzend.
    »Na, ob ich Ihnen das nun glauben soll?« In der Stimme der Hofrätin lag keine Spur von Mitleid. »Ich denke eher, er ist auf und davon. Auf jeden Fall habe ich Sie durchschaut. Von wegen zurückgebliebene Schwester! Ich habe doch Augen im Kopf und lasse mir nichts vormachen. Eine bodenlose

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