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Das Geheimnis der Inselrose - Historischer Roman

Titel: Das Geheimnis der Inselrose - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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»Und viele von ihnen nehmen sich als Trophäe ein Seehundsfell mit. Das ist doch mal was anderes, als in Bergwäldern auf Rehe und Hirsche zu lauern oder im offenen Feld Hasen und Füchse zu schießen. Und gerade für uns Frauen, die wir sonst von derartigen Vergnügungen ausgeschlossen werden, will ich eine Lanze brechen.«
    Für diese Lanze war Wemke nicht dankbar. Sie hatte versucht, zwingende Gründe zu erdenken, die ihre Teilnahme an diesem Ereignis unmöglich machten, aber es war ihr nicht gelungen, die Hofrätin von ihrem Vorhaben abzubringen.
    Konrad konnte sie gut verstehen. »Meine Freude an der Jagd war schon nach dem ersten Erlebnis getrübt«, hatte er ihr anvertraut. »Als junger Mann glaubte ich, die Jagd ähnelte einem grandiosen Kampf mit gleichwertigen Gegnern. Doch die
Wirklichkeit ist entsetzlich. Es hat mich gegraust mit anzusehen, wie sich jeder Jäger auf einen Seehund warf, um ihn mit Hieben zu töten. Die Tiere sahen so wunderschön aus mit ihren großen Augen, und waren den Angreifern hilflos ausgeliefert. Und dann die Jungtiere, die wimmernd zu den erschlagenen Müttern krochen. Wemke, ich werde mir etwas einfallen lassen, um dir den Anblick dieser Schlächterei zu ersparen.«
    Er hatte für sie vorgesprochen, sogar ärztliche Argumente zur Hand genommen, doch die Frau Geheime ließ keine Widerworte gelten. Wemke hatte bei dem Vergnügen dabei zu sein, und damit basta. Weder Konrad noch irgendein anderer konnte sich gegen diese eiserne Dame durchsetzen. Und wenn doch, dann nur unter Inkaufnahme von Schaden für sich selbst.
    Erst gestern hatte die Hofrätin ohne mit der Wimper zu zucken zwei Dienstboten entlassen, die gegen ihre Vorschriften verstoßen hatten. Georg, einer der Diener, und Marita, ein Zimmermädchen, waren hier auf der Insel ein Paar geworden. Lange hatten sie es geheim halten können, doch letztendlich war die Neuigkeit der Hofrätin doch zugetragen worden. Sie hatte die beiden vor die Wahl gestellt, ihre Beziehung zu beenden oder die Insel zu verlassen. Die jungen Leute hatten an ihrer Liebe festgehalten.
    Wemke war, wie viele andere, Zeuge einer letzten Unterhaltung zwischen ihnen und der Frau Geheimen geworden.
    »Ich lasse mir von Ihnen nicht länger vorschreiben, was ich zu tun und zu lassen habe. Sie behandeln uns Diener wie Sklaven!«, hatte der junge Mann wütend geschrien. »Es hängt mir schon lange zum Hals heraus zu sehen, wie Sie die Reichen hier hofieren, uns und auch die Insulaner hingegen wie den letzten Dreck behandeln.«
    Mit in die Hüften gestemmten Händen hatte die Hofrätin sich drohend vor Georg aufgebaut.

    »»Soll ich meinem Personal neben dem guten Lohn etwa auch noch ein tägliches Bad garantieren? Es gibt eben gewisse Unterschiede. Sie, mein Lieber, sind im falschen Bett geboren worden. Geben Sie Ihren Eltern die Schuld, die es zu nichts gebracht haben, und nicht mir. Sie sind ein Mensch, der Stiefel putzt und nicht trägt! Wer sich hier nicht seiner Stellung entsprechend zu verhalten weiß, der muss gehen. Ich habe Regeln aufgestellt, und eine davon lautet: kein Techtelmechtel unter der Dienerschaft!«
    Marita war vor Wut das Blut ins Gesicht geschossen. Sie wäre vielleicht auf die Hofrätin losgegangen, wenn ihr Geliebter sie nicht entschlossen weggezerrt hätte. »Komm, wir haben hier nichts mehr verloren. Andererorten finden wir mit Sicherheit eine Arbeit, bei der einem nach pausenloser Plackerei nicht auch noch privat die unglaublichsten Vorschriften gemacht werden.«
    »Fort mit euch!«, hatte die Hofrätin geschrien. »Die Saison ist sowieso bald vorbei, was stört es mich da, wenn ihr schon vorzeitig die Segel streicht. Querulanten kann ich hier in meinem Badeetablissement nicht gebrauchen!«
    Am Nachmittag beklagte sich Frau Bartling dann bitterlich bei Wemke darüber, dass das Personal immer unverschämter werde. Wemke hatte sich jeder Äußerung enthalten, doch in Wahrheit konnte niemand Marita und ihren Liebsten besser verstehen als sie. Die beiden hatten ihre Arbeit zu aller Zufriedenheit erledigt. Ihre Liebe war Privatangelegenheit.
    Und da lag der Hase im Pfeffer. Frau Bartling maßte sich an, über alles zu entscheiden. Sie war die Königin, der alle gehorchen mussten - ohne Ausnahme. Und mit diesem Gedanken war Wemke wieder bei der Seehundjagd angelangt. Ein Laut der Verbitterung stahl sich über ihre Lippen. Allmählich war das Maß voll. Sie wusste nicht, wie lange sie die Gängelei noch aushalten würde.

20
    D ie Jagd auf

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