Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen

Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen

Titel: Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
Vom Netzwerk:
hatte er bislang nur über den südlichen Meeren gesehen. Hier aber war der Himmel, angeleuchtet vom Weiß des Schnees, nicht abgrundtief schwarz wie im Süden, sondern schimmerte bläulich. In diesen Breiten ist der Himmel lebendiger und wärmer als die Erde, dachte Fandorin und erschauerte vor Kälte.
    Wie mochte es um Odinzow bestellt sein, ganz allein im dunklen Wald? Hoffentlich fand er den Gottesnarren.
    Wenn er nur nicht selber umkam …
     
    Nach Bogomilowo!
     
    Der Wachtmeister kehrte nach Mitternacht zurück, müde, böse, ganz mit Reif bedeckt.
    Unter wüsten Flüchen, gar nicht nach Altgläubigenart, erzählte er, dass er Lawrenti gefolgt sei bis zu einem Waldsee, doch da sei plötzlich ein
Lichodui
aufgekommen, so heiße in dieser Gegend ein kurzer, doch ungestümer Schneesturm, wie eine Bö auf See, der habe ihm die Augen verklebt und ihn herumgewirbelt. Das habe keine zehn Minuten gedauert, aber die Skispur gänzlich zugeweht. Da habe er nicht mehr gewusst, wohin sich wenden, habe gesucht und gesucht, doch was könne man schon im Dunklen finden?
    »Entwischt ist er, der Hund! Vielleicht wirklich nach Bogomilowo, wie die Dörfler meinten. Vielleicht aber auch stromauf nach Losma. Womöglich auch ins Danilow-Kloster, da wimmelt’s von verrückten Weibern. Denen ist es egal, ob’s in die Erde geht oder ins Feuer.«
    »Verrückte W-Weiber? Im Kloster?«, fragte Fandorin rasch, während er in den Pelz schlüpfte.
    Zum Übernachten waren die Besucher auf die Bauernhäuser verteilt worden. Fandorin mochte sich nicht hinlegen, darum war er im Stall bei den Pferden geblieben. Kirilla als Ehrengast übernachtete beim Starosta.
    »In das Kloster retten sich verwitwete alte Frauen, um dort ihre letzten Tage zu verbringen. Sie beten von früh bis spät bei Kerzenlicht. Genau das Richtige für Lawrenti.«
    »Und in Losma, was ist da?«, forschte Fandorin weiter, schon im Gehen. Bei einer Scheune blieb er stehen und stieß einen Pfiff aus.
    »Da leben Fuhrleute. Sie fahren von Archangelsk bis Jaroslawl. Gewiefte Leutchen … Aber warum bleiben Sie nicht hier? Ich fall beinah um vor Müdigkeit«, sagte der Wachtmeister ärgerlich.
    Oben schaute der runde Kopf von Masa heraus, hinterm Ohr ein Strohhalm.
    »Hayaku! Deru jo!« 5 , befahl ihm Fandorin. »Und in Bogomilowo ?«
    Missmutig brummend und ächzend, doch ohne sich zu widersetzen, kam der Japaner die angelehnte Leiter herabgestiegen.
    »Das ist ein großes, reiches Dorf. Am Fluss. Schreiber leben da. Sie kopieren alte Bücher – Hefte mit Gebeten, Heiligenleben … Wohin schleppen Sie mich?«
    Fandorin schob ihn zum Pferdestall.
    »Spann an. Wir f-fahren.«
    »Wohin?«
    »Nach Bogomilowo. Wie weit ist das?«
    »Auf dem Fluss vierzig Werst.«
    »Dann e-erst recht.«
    »Woher wollen Sie wissen, dass er nach Bogomilowo gegangen ist?«
    »Alte Frauen lassen sich nicht lebendig ins Grab treiben, sie sind die falsche Adresse. Erstens«, erklärte Fandorin in Eile, wobei er half, das Pferd anzuschirren. »Bei den Fuhrleuten verfängt die Propaganda für das Selbsteingraben auch nicht. Zweitens. Aber Kopisten, das ist es, was er braucht. Die sitzen immer fest am Fleck und leben ausschließlich in der alten Z-Zeit. Und vergessen wir auch nicht den Abschiedsbrief.
›Euren neuen Gesetzen können wir niemals gehorsam sein, darum wünschen wir lieber für Christum zu sterben.‹
Weißt du noch? Drittens. Also nach Bogomilowo! Schnell!«
     
    Aber so schnell ging es nicht. Odinzows Pferd, das tags zuvor den Weg gebahnt hatte, schaffte keine drei Männer mehr, denn es hatte sich die Fesseln wund gescheuert.
    Sie gingen Kryshow wecken. Der wollte zunächst nichts davon wissen, weil sie in der Nacht in einen Schneesturm kommen könnten und es sowieso nicht bis Bogomilowo schaffen würden. In demselben Haus wie er war auch Jewpatjew mit seinem Kutscher untergebracht. Er wurde wach, beteiligte sich an der Diskussion und sagte entschlossen, er werde fahren, und man müsse auch den Statistiker Kochanowski wecken. Den Psychiater dürfe man ebenfalls nicht in Masilowo zurücklassen, das würde ihn kränken.
    Sie gingen von Haus zu Haus und befragten die übrigen. Kryshow riet allen, bis zum Morgen zu warten, Jewpatjew meinte, den Schneesturm brauche man nicht zu fürchten, denn schlimmstenfalls könne man im Wald Schutz finden.
    Alle diese Gänge kosteten mindestens eine Stunde Zeit, aberschließlich brachen alle miteinander auf, auch der Dechant und der Diakon. Kirilla und das

Weitere Kostenlose Bücher