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Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen

Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen

Titel: Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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welcher der pedantische Serdjuk besonders wichtige Stellen im Bericht zu unterstreichen pflegte.
    Der zweite Schlag war stärker als der erste. Landrinow taumelte und bedeckte die nichts sehenden Augen mit der Hand. Durch die Finger lief, wie Blut, die rote Tinte.
    Im nächsten Moment waren die Unteroffiziere zu sich gekommen und drehten dem Mörder die Hände auf den Rücken. Landrinow brüllte, versuchte sich loszureißen und sogar zu beißen. Sie schleppten den sich wehrenden und windenden Mann aus dem Zimmer. Wanjuchin und der Journalist halfen den Polizisten.
    Als der Lärm verebbt war, drehte Fandorin sich um.
    Sergej von Mack stand immer noch wie festgewachsen da. Er schien sich überhaupt nicht zu freuen, dass der Verdacht von ihm genommen war. Sein Gesicht sah verzagt und unglücklich aus. Er leidet wegen des Auftrags, begriff Fandorin.
    Marja und Fedot Fedotowitsch kümmerten sich um Serdjuk, gaben ihm Wasser zu trinken, fächelten ihm mit einem Handtuch Luft zu.
    Taissi hatte sich verflüchtigt, als hätte es ihn nie gegeben.
    In der Ecke kauerte die arme Mawra und wurde von Schluckauf und Schluchzen geschüttelt.
    »Nicht doch, nicht doch, ist ja alles v-vorbei«, sagte Fandorin beruhigend.
    Er strich ihr behutsam über den Kopf – der Schluckauf war weg. Er nahm ihre Hand – das Schluchzen verstummte.
    »Sie fahren nach Paris und werden eine berühmte Malerin. Alles wird gut«, sagte er leise.
    Sie nickte und schaute zu ihm hoch. Ihr Gesicht war von winzigen Tintenspritzern übersät, roten und violetten. Als hätte sie Waldbeeren gegessen und sich mit dem Saft vollgespritzt, dachte der Beamte.
    »Ich fahre. Aber … Sie müssen mir etwas versprechen …«, flüsterte sie. »Abgemacht?«
    »Abgemacht. Nicht mehr weinen.«
    »Sie erlauben mir, das Porträt zu beenden? Hierher kommen Sie nicht mehr, das verstehe ich. Vielleicht … Vielleicht kann ich es bei Ihnen zu Ende malen?«
    Ihre Augen glitzerten, wohl nicht nur wegen der noch nicht getrockneten Tränen.
    »Bei mir ist es wohl wirklich günstiger«, sagte, leicht errötend, Fandorin.

Die Skarpea der Baskakows
     
    1
     
    »Tulpow, fürchten Sie sich vor Sch-Schlangen?«
    Die Frage des Chefs ereilte Anissi Pitirimowitsch Tulpow bei der zweiten Tasse Tee, zur besten Tageszeit – alle Aufgaben sind erledigt, und der ganze Abend steht noch bevor, keine Rennerei mehr, die Stimmung ist gelassen, philosophisch.
    Das Gespräch bei Tisch hatte sich um etwas ganz anderes gedreht – um die morgige Ankunft Ihrer kaiserlichen Majestät in Moskau, doch Tulpow wunderte sich nicht über die plötzliche Frage, denn er hatte sich längst an Fandorins Art gewöhnt, von einem zum anderen zu springen.
    Er wunderte sich zwar nicht, ließ sich aber trotzdem mit der Antwort Zeit. Die Frage konnte allgemein gestellt sein, im metaphorischen Sinn, es konnte aber auch etwas dahinterstecken. Zum Beispiel hatte Fandorin einmal gefragt: »Tulpow, wären Sie gern so stark und geschickt, dass Sie jeden Schlagetot spielend aufs Kreuz legen können?« Tulpow hatte ohne zu überlegen geantwortet: »Natürlich wäre ich das gern!« Seitdem, schon das zweite Jahr, ging er bei Masa, Fandorins Kammerdiener, in die Lehre und musste sich von dem boshaften Japaner unglaubliche Foltern gefallen lassen: nur in Unterwäsche durch den Schnee traben, sich die Hände an splittrigen Brettern wund schlagen und eine halbe Stunde auf dem Kopf stehen wie ein australischer Antipode.
    »Was für Schlangen?«, fragte er vorsichtig. »Die am Boden kriechen oder die aus Papier, die am Himmel fliegen?«
    »Die kriechen. Was gibt’s von Papierschlangen zu f-fürchten?«
    Der Gouvernementsekretär dachte noch ein bisschen nach und konnte in der Frage seines Chefs keine Falle erkennen. Vor einer Kobra oder einer Giftnatter erschrickt natürlich jeder, aber wo sollten in der Kleinen Nikitskaja-Straße Giftnattern herkommen?
    »Ich fürchte mich nicht.«
    Fandorin nickte befriedigt.
    »Ausgezeichnet. Dann fahren Sie morgen in den Landkreis Pachrinsk. Dort ist eine gewaltige Anakonda aufgetaucht. Der Geistliche schreibt von Ränken des S-Satans und beklagt sich über die Gottlosigkeit des Semstwo-Vorsitzenden, und der Semstwo-Vorsitzende beklagt sich darüber, dass die Kirche Angst und Schrecken verbreitet und dem Aberglauben Vorschub leistet. Fahren Sie hin und gehen Sie der Sache auf den Grund. In die Einzelheiten werde ich Sie nicht einweihen, denn ich kenne sie auch nur aus zweiter Hand – das könnte

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