Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen

Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen

Titel: Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
Vom Netzwerk:
klar, dass der Handel mit zwei Millionen enden würde. Auch wenn es noch mehr wurde – was hatte er von dem fremden Reichtum?
    Müdigkeit vorgebend, ging er in sein Zimmer, legte sich jedoch nicht schlafen, sondern beschloss, seinem Chef einen ausführlichen Bericht über alles Gesehene und Gehörte zu schreiben: mit Porträts, Charakteristiken, Wiedergabe der Gespräche. In solchen Dingen konnten zweitrangige Details wichtiger sein als alles andere. Warwara Iljinitschna hatte gesagt, der Gärtnerjunge laufe frühmorgens zur Post, und am Abend sei der Brief schon beim Empfänger. Folglich war übermorgen mit Anweisungen oder Ratschlägen von Fandorin zu rechnen.
    Nach Mitternacht ging Tulpow zu Bett. Er wälzte sich hin und her und konnte nicht einschlafen. Sowie er die Augen schloss, saher lauter Reptilien vor sich, mit gespaltener Zunge und einer Krone auf dem platten, rhombischen Kopf.
    Schließlich wurde er wütend auf sich. Sie wollen nicht schlafen, Anissi Pitirimowitsch? Dann liegen Sie auch nicht weiter die Matratze durch. Verschaffen Sie sich Bewegung. Wie der weise Masa sagt: »Sswinge deine Füß, und du ssläfst süß.«
    Er zog den Mantel an, gleich übers Nachthemd, schob die nackten Füße in die Stiefel und ging in den Garten. Das Licht in den Fenstern war erloschen, das Haus stand dunkel und sehr still. Dafür drangen aus der Nacht unverständliche Laute auf ihn ein: Glucksen, Knistern, Schmatzen, verschwörerische Rufe von Vögeln oder Fröschen oder sonst wem. Eine Moskauer Nacht hatte ganz andere Geräusche, Gerüche und auch ein anderes Schwarz. Da huschte etwas durch die Büsche, hinter denen der Teich lag und dann das Faule Moor; über die Allee (Tulpow nahm es nur aus dem Augenwinkel wahr) hastete ein schwarzer Schatten. Wer nichtmaterialistischen Ansichten anhing oder einfach schwache Nerven hatte, wäre vielleicht erschrocken. Aber Tulpow hatte von seinem Chef des Öfteren gehört, dass das Schrecklichste sich nicht außerhalb des Menschen verbarg, sondern in ihm selbst, darum schritt er forsch aus, ohne Angst.
    Er bog Zweige auseinander, direkt vor ihm war der Teich, in dem sich die Sterne spiegelten. Der Teich verströmte einen Geruch von Schlamm, Fröschen und noch etwas, was Tulpow nicht benennen konnte. Er setzte sich auf einen Baumstumpf und überlegte, wo die Schlangenspur unter der Plane hergekommen war.
    Er saß noch keine fünf Minuten, da hörte er ein Rascheln, ganz in der Nähe, hinter einem Himbeerbusch. Dort ging jemand, krächzend und vor sich hin brabbelnd. Jetzt wurde es Tulpow doch unheimlich, und er bedauerte, den Revolver in der Reisetasche gelassen zu haben. Obwohl, wenn es ein lebendiger Mensch war, brauchte er nichts zu fürchten. Und wenn es ein Geist war, half auch kein Revolver.
    Was zum Teufel für ein Geist, rief der Sekretär sich selbst zur Ordnung. Da geht jemand durch die Nacht, krächzt und murmelt vor sich hin. Aber geht er einfach so, oder hat er ein Ziel?
    Tulpow wechselte vom Baumstumpf in die Hocke, bewegte sich nicht mehr und spähte in die Dunkelheit.
    Krascheninnikow?
    Richtig – die bekannte Silhouette, und als sich der Mann umdrehte, zeichnete sich sein langer Bart ab.
    Auf dem Rücken trug der Verwalter einen kleinen Sack. Von Zeit zu Zeit blieb er stehen, holte irgendwelche Klumpen aus dem Sack und warf sie auf die Erde, direkt ans Wasser. Was mochte das bedeuten?
    Ganz leise und vorsichtig folgte ihm Tulpow. Er tastete die Erde ab und fasste auf etwas Weiches, Filziges. Er hielt es an die Augen und schleuderte es angeekelt weg. Zwei krepierte Mäuse, mit den Schwänzen zusammengebunden. Pfui!
    Das also war Baskakowka. Ein trauriges Haus irgendwie, lauter Verrückte. Nur Papachin war nicht verrückt. Er wusste genau, was er wollte, und würde es auch erreichen.
    Tulpow dachte über Papachin nach, kam aber nicht weit, denn vom Gutshaus ertönte ein gellender Schrei. Der war so entsetzlich, dass dem Sekretär die Knie einknickten.
     
    3
     
    An Seine Hochwohlgeboren
    Kollegienrat E. P Fandorin
    persönlich
    Chef, diesen Brief sende ich zusammen mit dem gestrigen ab, also lesen Sie zuerst den anderen und dann diesen. Dem ersten Brief habe ich noch einen Nachtrag angefügt, in dem ich über meinen
nächtlichen Spaziergang im Garten, über die Verrücktheit des Krascheninnikow und über den Schrei berichtete, also kann ich jetzt gleich zur Beschreibung des Verbrechens übergehen.
    Wieder im Haus angekommen, erfuhr ich, dass der herzzerreißende

Weitere Kostenlose Bücher