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Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen

Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen

Titel: Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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aber helfen Sie mir wenigstens mit einem Rat.
    Ich habe eine Liste der Verdächtigen zusammengestellt.
    Zuerst die, denen es nützt. Das sind natürlich Papachin und Machmetschin. Papachin hat gestern bis in die Nacht hier gesessen und ist eine Stunde vor dem Mord abgefahren. In einer zweirädrigen Equipage, ohne Kutscher. Da überprüfe mal, ob er wirklich nach Hause gefahren ist oder nicht. Machmetschin wurde von seinem Kutscher gefahren, auch einem Tataren. Aber bei denen ist es doch so, dass sie um keinen Preis einen der Ihren verraten. Was für einen Nutzen Papachin und Machmetschin von Warwara Iljinitschnas Tod haben, hat mir der Kreispolizeichef erklärt. Das Anwesen hat jetzt keinen Erben. Das Gesetz sieht eine gewisse Frist vor, innerhalb derer nach Verwandten gesucht wird, und wenn keine gefunden werden, fällt die Immobilie dem Fiskus zu, in diesem Fall dem Semstwo. Warum sollte sich das Semstwo zusätzliche Scherereien mit der Immobilie aufladen? Es wird sie an besagte Bauunternehmer verkaufen, aber viel billiger, besonders,
wenn die dem zuständigen Mann fünftausend, vielleicht gar zehntausend zustecken. So kann gut eine halbe Million gespart werden. Nicht schlecht, was?
    Dann der Verwalter Krascheninnikow. Bei ihm wäre wohl nicht Habgier das Motiv, sondern geistige Verwirrung. Der Alte ist eindeutig nicht bei Sinnen. Das Geschlecht der Baskakows ist für ihn, was Allah für die Mohammedaner ist, und die Ermordete hat er, nach allem zu urteilen, verachtet, ja gehasst.
    Bleibt noch der Petersburger Gelehrte, Wladimir Iwanowitsch Petrow. Er hat die Legende von der Skarpea ausgegraben und farbenfroh erzählt. Aber weshalb hätte der Folklore-Sammler Frau Baskakowa und danach ihre Pflegtochter aus der Welt schaffen sollen?
    Mehr fällt mir bislang nicht ein.
    Das Stubenmädchen Nastja, der Gärtner und der Knecht haben ihre Sachen gepackt und sind noch bei Tageslicht auf und davon. In der Kammer unter der Treppe haust der Kontorist Serjogin, aber mit dem ist Folgendes passiert. Am Morgen war er die Kaltblütigkeit in Person, nahm den Tod der Hausherrin gelassen auf und schwafelte über die Hilflosigkeit aller Sterblichen gegenüber der Vorsehung. Aber am Abend, als die Polizei weg war, kam er ganz verheult zu mir, schnäuzte ins Taschentuch und schrie, er wolle sich das Leben nehmen. Wissen Sie, weshalb? Seine Katze ist krepiert. Sie hat im Garten irgendwelchen Dreck gefressen und ist eingegangen. Er war fix und fertig, ich musste ihm Baldriantropfen geben. Ich geh weg, hat er gesagt. Nach Australien oder Brasilien, weil ich nicht mit Giftmördern und heimtückischen Heliogabals auf einer Halbkugel leben möchte. Er hat seinen Koffer gepackt, hat den herrschaftlichen Bronzeleuchter in Form eines Mephistopheles mitgenommen – »als Andenken« – und ist mit unbekanntem Ziel abgereist.
    Ich bin allein im Haus geblieben. Macht nichts, ich stamme aus einfachen Verhältnissen und kann mir selbst helfen.
    Anbei in Kopien der Bericht der Tatortbesichtigung und der
pathologische Befund, auf meine Anweisung vom Kreispolizeichef und vom Arzt angefertigt.
    Ich bitte um Antwort und Rat.
    Ihr Tulpow
    Ergebenste Grüße an Masa
    24. August 1888
     
    4
     
    In seinem Bericht an den Chef hatte Tulpow etwas geschummelt. Die Fakten und Umstände hatte er genau dargestellt, auch die verschiedenen Versionen vom Tathergang nicht verheimlicht, doch er hatte nicht geschrieben, dass er den Täter schon ausgemacht hatte. Wenn er sich irrte, musste er nicht rot werden, wenn er aber die richtige Linie verfolgte, konnte er stolz sein.
    Für Papachin und Machmetschin war der Tod von Warwara Iljinitschna zweifellos von Vorteil. Aber Millionäre sind nicht so gestrickt, dass sie wegen eines Batzens Geld, und sei es auch ein großer, Mysterienspiele veranstalten. Dafür muss einer ein abnormes, verbogenes Gehirn haben.
    Der Chef pflegt zu sagen, für einen vorsätzlichen Mord gebe es ganze vier Motive: das erste – Habgier, das zweite – Angst, das dritte – brennende Leidenschaft (Liebesraserei oder Eifersucht, Rache, Neid), das vierte – Wahnsinn. Die am schwersten aufzuklärenden Verbrechen zählen zur letzten Kategorie, weil ein Geisteskranker in einer Phantasiewelt lebt, deren Beschaffenheit und Logik normalen Menschen unverständlich sind.
    Die Geschichte mit der Skarpea wies alle Anzeichen einer manischen Tat auf, und da fiel der erste Verdacht auf Krascheninnikow.
    Ein griesgrämiger Mensch, benahm sich seltsam, liebte die

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