Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen

Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen

Titel: Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
Vom Netzwerk:
wie sollte er diesem Krascheninnikow beikommen? Hier war Deduktion erforderlich. Vielleicht sollte er zu ihm gehen, ihn am Schlafittchen packen und gründlich durchschütteln, bis er alles gestand? Aber wo waren die Beweise? Auf den krepierten Mäusen ließ sich keine Anklage aufbauen. Also wieder in den Büschen sitzen?
    Ohne recht zu wissen, was er unternehmen wollte, ging Tulpow am Teich entlang zum Haus des Verwalters. Der Chef sagte immer, dass in jedem Geisteskranken, und sei er noch so verroht, ein Teilchen des guten Prinzips erhalten bleibe und dass dieser nicht abgestorbene Bereich der menschlichen Seele der wichtigste Helfer bei der Ermittlung sei, der den wahnsinnigen Verbrecher mitunter zur Selbstentlarvung und sogar zur Reue bewege.
    Vielleicht sollte er mit Krascheninnikow ruhig und teilnahmsvoll reden. Womöglich drang er zu dem guten Prinzip durch und bekam ein Geständnis. Krascheninnikows Weg führte sowieso ins Irrenhaus, so einer wurde nicht zur Zwangsarbeit geschickt.
    Mit solchen Gedanken ging Tulpow an der dämmrigen Wasserfläche entlang, die übersät war von dunklen Flecken halb versunkener Baumstämme, von Bülten und Schilfstängeln. Über dem Teichstiegen weißliche Nebelschleier auf. Der Sommer war noch nicht vorüber, aber es war kühl und feucht.
    Den Revolver hatte Tulpow für alle Fälle mitgenommen. Es konnte ja sein, dass in dem Verwalter die böse Hälfte die Oberhand gewann.
    Als ganz in der Nähe hinter einer Bülte plötzlich etwas Großes, Ungefüges plätschernd hochschoss, griff sich Tulpow mit der linken Hand ans Herz und riss mit der rechten die Waffe aus der Jackentasche. Dabei blieb er mit dem Hahn hängen und hätte sich beinahe selbst ins Bein geschossen.
    Aus dem Wasser kam kein Sumpfungeheuer und auch nicht der Drache Feuerfauch ans Ufer gekrochen, sondern ein schlaksiger Mann in Stiefeln, schlammbedeckt und fast bis zu den Augen mit einem struppigen schwarzen Bart bewachsen.
    »Wer sind Sie?«, rief Tulpow mit zitternder Stimme und presste den eisernen Griff.
    Der nasse Mann fuchtelte in Richtung Sumpf und gab unverständliche Laute von sich. Entweder ein Stummer oder ein Schwachsinniger.
    Das muss der Dorftrottel sein, dachte Tulpow und beruhigte sich. Darum ist er auch so furchtlos. Alle sind aus dem Dorf fortgerannt, und der steigt in den Sumpf.
    Tulpow hatte von jeher Mitleid mit Schwachsinnigen, darum gab er dem Mann ein Stück Zucker und sagte ohne Strenge: »Geh jetzt. Du hast hier nichts zu suchen.«
    Doch er hätte ihm nichts Süßes geben dürfen, nun wurde er ihn nicht mehr los. Der Trottel blieb mal zurück, lief mal voraus und blickte dabei ständig zum Teich, zum Sumpf. Plötzlich stieß er Tulpow beiseite, plumpste auf alle viere, betastete die Erde und blökte freudig.
    Tulpow wollte böse werden, aber da schob sich hinter den Wolken der Mond hervor und beleuchtete das aufgeweichte Ufer;Tulpow sah in dem lehmigen Schlamm die ekelhaft bekannte gewundene Spur. Schon wieder!
    Der Sumpfmann blökte, gluckste und drehte den zottigen Kopf nach allen Seiten, als suche er seine Herzensfreundin. Tulpow ließ ihn am Teich zurück.
    Er schritt jetzt zügig aus. Schluss mit dem Hokuspokus! Nach der Zauberschlange mag der Dorftrottel suchen, aber wir beide, Herr Verwalter, werden uns auf unsre Weise unterhalten.
    Kurz darauf war er vor dem Haus des Verwalters. Bevor er die Vortreppe hinaufstieg, spannte er den Hahn, schob den Revolver hinter den Gürtel und verdeckte ihn mit dem Mantel.
    Auf sein Klopfen öffnete Krascheninnikows Tochter. Von nahem war sie noch schöner: reines Gesicht, klare, strahlende Augen. Ach, du liebes Mädchen, musst mit einem Geisteskranken leben.
    Tulpow lüpfte die Mütze und stellte sich vor. Er fragte nach ihrem Namen – Angelina.
    »Vater ist nicht zu Hause«, sagte sie. »Er ist im ›Kabinett‹. Schon lange, seit Tagesanbruch.«
    »Wo ist das?«, fragte Tulpow und sah sich um. »In welcher Richtung?«
    »Er hat verboten, ihn dort aufzusuchen«, erklärte das schöne Mädchen. »Ich habe längst das Abendessen fertig und warte, aber ihn holen darf ich nicht. Möchten Sie vielleicht hier auf ihn warten? Wenn Vater da ist, essen wir zusammen zu Abend.«
    Tulpow runzelte die Stirn und antwortete zerstreut: »Danke. Vielleicht ein andermal … Also, ich komme in einer dringenden Angelegenheit, darum muss ich es riskieren, Ihren Vater in seinem ›Kabinett‹ zu stören. Aber ich bitte Sie, mich zu begleiten.«
    Ein gescheites

Weitere Kostenlose Bücher