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Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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wurde.
         Yazi
wäre wieder in ihre alte Lebensweise zurückgefallen, doch
hatte Laoshus Tod ein tief klaffendes Loch hinterlassen. Ihr fehlte
die vertraute Nähe der Dienerin, das tägliche Geplauder,
bei dem sie auch erfahren konnte, was außerhalb der Enge der
Frauengemächer in der Welt geschah. Nun war sie gezwungen, ihre
Ohren offen zu halten, um durch das Belauschen fremder Gespräche
etwas von den neusten Entwicklungen mitzubekommen.
         Der
himmlische König traktierte Nanjings Einwohner mit ständig
neuen Verordnungen. Innerhalb der Stadtmauern war Handel verboten
worden, doch verzogen sich die Händler einfach nach draußen,
wo weiterhin rege Geschäfte gemacht wurden. Angeblich mussten
alle wohlhabenden Familien ihre Vorräte und Wertgegenstände
abgeben, die nun zum Allgemeinbesitz erklärt wurden. Nicht alle
waren so klug gewesen wie die Rongs und hatten alles rechtzeitig
versteckt. Dafür wurden tatsächlich die Armen der Stadt mit
Getreide und Kleidung versorgt, was zur Folge hatte, dass sie in
Scharen in die Ränge der Taiping überliefen.
         Eines
Abends wurde Yazi mit allen anderen Frauen in die Ahnenhalle gerufen,
aus der allerdings alle Tafeln und Opfergaben wohlweislich entfernt
worden waren. Nach einem kurzen Gebet verkündete der Hausherr,
dass auf Wunsch des für ihr Stadtviertel zuständigen
Taiping-Offiziers Angaben über alle Mitglieder eines Haushalts
zu machen seien. Der himmlische König, fuhr Rong Dongji nach
kurzer Pause fort, wünsche, dass jede Familie der Stadt eines
ihrer Mitglieder in seine Dienste schicke, ansonsten drohten harte
Strafen.
         Während
um sie herum geweint und geklagt wurde, erinnerte Yazi sich an Pofus
geschickten, kraftvollen Umgang mit dem Schwert, an die muskulösen,
braungebrannten Körper ihrer Rekrutinnen. Das Leben dieser
Frauen bestand nicht aus trägem Herumsitzen in geschlossenen
Räumen. Mit einem Mal war ihr völlig klar, dass dies die
Gelegenheit war, von der Quan Li Shao gesprochen hatte.
         Sie
erhob sich und bat angehört zu werden. Dreimal berührte sie
vor Rong Dongji mit der Stirn den Boden, bevor sie sich anbot, als
wertlose, da unfruchtbare Frau dieses Opfer auf sich zu nehmen, und
dabei auch jene Tochter mitzunehmen, die der Familie nur unnötig
zur Last fallen würde. Sie hörte Geflüster in ihrem
Rücken, ein paar erleichterte Seufzer.
         »Sie
werden keine Frau wollen«, knurrte der Hausherr nur. Yazis
Herzschlag setzte aus, denn sie glaubte nicht, dass er ihr eine
Gelegenheit zum Widerspruch geben würde.
         »Vater,
in ihren Rängen kämpfen auch Frauen«, mischte
Yingxiong sich unerwartet ins Gespräch. Yazi blickte auf und sah
seine Augen mit einem sanften, verständnisvollen Blick auf sich
ruhen.
         »Ich
wünsche dir Glück, meine Hua Mulan«, flüsterte
er ihr zum Abschied zu. Für einen Moment blieb sein Blick auf
Chuntian ruhen, als wolle er sich die Gesichtszüge einer Tochter
einprägen, die er vielleicht niemals wiedersehen würde.

4. Kapitel

    Drei
Jahre später hatte Yazi bereits den Rang einer Hauptmännin
inne und gehörte neben Pofu zu Hong Xuanjiaos besten
Kriegerinnen. Sie konnte die chinesischen Übersetzungen jenes
heiligen Buches der Christen lesen, die tagtäglich in Nanjing
gedruckt wurden, sowie auch die vom himmlischen König hierzu
verfassten Kommentare. Einer tüchtigen Taiping-Soldatin war es
gestattet, Unterricht im Lesen und Schreiben zu erhalten. Die zehn
Gebote hatte sie auch auswendig gelernt, bevor sie bei einer
feierlichen Zeremonie mit Wasser besprenkelt worden war, was ihre
Aufnahme in die Gefolgschaft des himmlischen Königs besiegelte.
Männer und Frauen lebten streng getrennt in ihren Quartieren.
Sie waren in Guans eingeteilt, Einheiten von 25 Personen, denen
jeweils ein Offizier der Armee vorstand. Zu vorgegebenen Zeiten,
mehrmals täglich und vor allem an jedem siebten Tag, der mit
einem Gongschlag angekündigt wurde, trafen sie sich zum Gebet,
das anders als in den traditionellen Tempeln eine kollektive
Zeremonie war. Vor einem Altar, auf dem drei Tassen Tee, drei
Schüsseln mit Fleisch und drei mit Reis geopfert wurden, sangen
die Versammelten Hymnen. Die Details eines jeden gemeinsamen Betens
wurden auf einem Papier aufgezeichnet, das anschließend als
Opfer an Huang Shangdi, den großen Gott, verbrannt wurde. Es
hatte Yazi zunächst erstaunt, dass die Taiping keine
Räucherstäbchen anzündeten, doch nahm sie es als deren
Eigenart hin.

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