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Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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Ansonsten bestand ihr Tag aus Kampfübungen und der
Erledigung sonstiger Pflichten, die ihr von Pofu im Namen Hong
Xuanjiaos auferlegt wurden. Yazis Tage kannten keine Leere mehr. Sie
war für die Ausbildung und das korrekte Betragen der ihr
unterstellten Kriegerinnen verantwortlich. Sie hatte an Schlachten
gegen die Qing-Armee teilgenommen, die immer wieder versuchte,
Nanjing zurückzuerobern. Inmitten des erbarmungslosen Tötens
und Sterbens hatte sie Stärke bewiesen, ja ihrer Generalin noch
einmal das Leben gerettet, wodurch zwischen ihnen ein stählerner
Bund der Freundschaft gewachsen war. Oft waren die Truppen
losgezogen, um weitere Städte zu erobern. Der rostige Blutgeruch
war Yazi nun so vertraut, dass sie ihn nicht mehr wahrnahm. Es war
einfacher, Dinge nicht allzu sehr zu hinterfragen, auch das hatte sie
gelernt. In der Armee herrschte strenge Disziplin, und Kampfübungen
sowie Vorbereitungen von Schlachten forderten alle Soldaten bis zur
äußersten Erschöpfung. Yazi glaubte, was ihr gesagt
wurde, denn sie war wieder Teil eines Ganzen geworden, in dem ihre
Fähigkeiten geschätzt wurden. Als sie mitbekam, wie
dreizehnjährige Kinder in die Schlacht geschickt wurden, nachdem
ihnen versichert worden war, dass sie als gefallene Helden sofort ins
göttliche Himmelreich kämen, spürte sie einen leichten
Stich des Unbehagens, der aber im Kampfgetümmel unwichtig wurde.
Die Armee brauchte alle Krieger, die sie bekommen konnte. Sie glaubte
an das gemeinsame Ziel aller Taiping, die Errichtung des himmlischen
Königreichs, wo ewiger Frieden herrschen würde. Nur der
fassungslose Gesichtsausdruck von Mönchen und Nonnen, die
zusehen mussten, wie Taiping-Soldaten in den dämonischen
Klöstern die Statuen Buddhas oder der daoistischen Götter
zerschlugen, erschreckte sie manchmal. Etwas in den Blicken dieser
friedvollen Anhänger alter, falscher Religionen schien gemeinsam
mit ihren Idolen zu zerbrechen. Yazi tröstete sich damit, dass
die Mönche und Nonnen nun nicht mehr auf der Stelle massakriert
wurden wie nach der Eroberung Nanjings. Sie würden Gelegenheit
erhalten, den richtigen Glauben zu lernen.
         Da
Yazi ihre Tochter vermisste, die sie während der Feldzüge
in der Obhut anderer Frauen hatte lassen müssen, sorgte Hong
Xuanjiao schließlich dafür, dass sie gemeinsam mit Pofu
der persönlichen Garde ihres Bruders, des himmlischen Königs,
zugeteilt wurde. Er hatte sich in der Stadt, die nun Tianjing,
Hauptstadt des Himmels, genannt wurde, einen prächtigen Palast
errichten lassen. Der zweite Gottessohn liebte bunt bemalte Wände
und prächtiges Mobiliar, hatte ein kompliziertes Hofzeremoniell
ersonnen, das bis ins letzte Detail befolgt werden musste. Die
kleinste Vergesslichkeit zog schwere Strafen nach sich, sodass Yazi
manchmal das harte, einfache Leben an der Front vermisste, denn dort
waren alle Regeln ihr einleuchtend erschienen. Hong Xiuquan hatte
sich weitgehend aus dem Kampfgeschehen zurückgezogen, um sich
ganz dem Studium der heiligen Texte und dem Ersinnen neuer
Vorschriften für seine Anhänger zu widmen. Die zwei anderen
Machthaber, Shi Dakai, der Flügelkönig, und Wei Changhui,
König des Nordens, waren für die Kriegsführung
zuständig und daher meist abwesend. Yazi vermisste ihre
Gegenwart, denn gerade Shi Dakai hatte sich als fähiger, kluger
Feldherr erwiesen, dessen Urteil sie achtete. So blieb neben Hong
Xiuquan nur ein anderer, mächtiger Mann in der Stadt: Yang
Xiuqing, König des Ostens, der bereits am Dornenberg, dem ersten
Lager der Taiping in Guangxi, persönlich die Stimme Gottes
vernommen hatte. Er war eine sehr elegante Erscheinung mit schmalen,
edlen Gesichtszügen, doch meinte Yazi, einen verschlagenen
Ausdruck in seinen Augen zu erkennen, der ihr missfiel. Aber sie
vertraute auf das Urteil Hong Xiuquans, der sicher Gründe gehabt
hatte, diesen Mann in eine hohe Position zu erheben. Doch bereits
drei Wochen, nachdem sie ihren Dienst als Hauptmännin der
Leibgarde angetreten hatte, kam es zu einer ersten Konfrontation der
zwei in Nanjing verbliebenen Könige.
         Am
frühen Morgen erschien Yang Xiuqing, der Ostkönig,
unangekündigt im Palast des himmlischen Königs, um wichtige
Neuigkeiten zu übermitteln. Noch bevor er sein Anliegen
vortragen konnte, wurde er von Krämpfen geschüttelt und
seine Glieder verrenkten sich so, dass Yazi Pofu ins Ohr flüsterte,
ob es nicht ratsam wäre, einen Arzt zu rufen. Ihre Generalin
machte nur eine abwehrende Handbewegung:

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