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Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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beachten.
         Yazi
fiel ein, dass Hong Xuanjiao ihr einmal anvertraut hatte, der
Ostkönig habe als Sohn eines einfachen Köhlers niemals das
Lesen und Schreiben gelernt. Dieses Wissen und seine neueste
göttliche Botschaft ergaben in ihrem Kopf ein störendes,
hässliches Bild. Wer die heilige Schrift nicht entziffern
konnte, mochte sehr eigennützige Gründe haben, ihren Wert
herabzusetzen.
    Doch
Hong Xiuquan, dessen wesentliche Tätigkeit in den letzten Jahren
die Auslegung der fremden religiösen Texte gewesen war,
versteinerte nur, widersprach aber nicht.

    ******

         Pofu
und Yazi waren mit den anderen Kriegerinnen der Palastgarde auf dem
Weg in ihre Quartiere, als eine junge Rekrutin namens Jinjing, in die
Pofu große Erwartungen setzte, plötzlich stehen blieb und
in schallendes Gelächter ausbrach. Sie war ein großes,
braungebranntes, kräftiges Mädchen aus Guangzhou, zur
Hälfte Malaiin, und hatte sich den Taiping angeschlossen, um
einem Leben im Bordell zu entkommen.
         »Ich
habe mir auch immer einen Vater oder Bruder gewünscht, der genau
das sagt, was mir in den Kram passt«, meinte sie kichernd,
während sie einen Stein zur Seite trat. Dann sah sie sich kurz
um, und als die Straße sich als leer erwies, begann sie zu
zucken und in einer tiefen Stimme zu brummen:
         »Ich,
Huang Shangdi, der große und einzige Gott, erkläre, dass
Jinjing aus Guangzhou meine liebste Tochter ist. In Zukunft soll sie
ihren eigenen Palast mit zweihundert persönlichen Dienerinnen
haben und jeder hübsche Mann unter meinen Kriegern hat sich
anzustrengen, ihr eine unvergleichliche Liebesnacht zu schenken.«
         Die
anderen Mädchen sahen stumm zu, nur auf einigen Gesichtern
erschien ein zaghaftes Lächeln. Pofu herrschte sofort alle an,
sich zurückzuziehen. Nur Yazi und Jinjing durften bleiben.
         Yazi
hätte gern über Jinjings Darbietung lachen mögen. Es
war ein gelungener Scherz, nichts weiter. Trotzdem hämmerte ihr
das Herz in der Brust und sie hoffte inständig, dass niemand
außer den Mädchen aus ihrem Guan die Szene mitbekommen
hatte.
         »Na,
was meint ihr? War ich gut? Komme ich damit durch?«, rief
Jinjing, sobald sie allein waren. Pofu holte aus und schlug ihr so
hart mit der Faust ins Gesicht, dass ein Strom von Blut aus ihrer
Nase zu fließen begann.
         »Wenn
du noch einmal so etwas sagst, lasse ich dich aus der Stadt jagen«,
schrie sie. Yazi schloss die Augen, denn die Härte der Strafe
schien ihr unangemessen. Aber ganz tief in Pofus Brüllen hatte
sie jene Angst vernommen, die sie selbst ebenso empfand.

    ******

         Zwei
Tage später zog Yazi mit ihrer Gefolgschaft durch die Straßen
um den Palast, da der himmlische König Unruhen befürchtete.
Angeblich hatten sich Spione der Qing in die Stadt geschlichen. Sie
konnte aber nichts weiter als die üblichen Prozessionen mit
Papierdrachen zur Unterhaltung des Volkes erkennen.
Theateraufführungen erfreuten sich ebenfalls großer
Beliebtheit, wobei viel Wert auf einfache, volksnahe Sprache und
religiöse Themen gelegt wurde. Das Handelsverbot innerhalb der
Stadtmauern nahm schon seit langem kaum jemand mehr ernst, denn an
jeder Straßenecke hockten Händler mit ihren Waren, doch
war dies dem himmlischen König bereits mehrfach mitgeteilt
worden, ohne dass er etwas dagegen unternahm. Von den wiederholten
Besuchen der Fremden waren seltsame Gegenstände zurückgeblieben,
die nun als Kuriositäten feilgeboten wurden. Yazi sah
Sonnenschirme in tiefschwarzer Farbe und ein laut tickendes Ding, das
angeblich die Zeit anzeigte, doch wusste niemand, wie sie an einer
mit unleserlichen Zeichen verzierten Scheibe zu erkennen sein sollte.
         Dann
erblickte sie plötzlich ein Getümmel aus um sich
schlagenden Männerkörpern. In vollem Bewusstsein,
königliche Autorität zu verkörpern, stürmte Yazi
los, riss die Kämpfer auseinander und herrschte sie an, sich
ordentlich zu betragen. Ihre Kleidung, die sie als Soldatin des
königlichen Heeres kenntlich machte, ließ die meisten
sogleich zurückweichen. Nur zwei Aufwiegler leisteten
Widerstand. Yazi brachte sie mit gezielten Tritten und Schlägen
zur Strecke, wie es sich für eine aufmerksame Schülerin
Hong Xuanjiaos gehörte.
         Schließlich
kauerte nur noch eine einzige Gestalt auf dem Boden. Ihre Gliedmaßen
schienen unnatürlich lang, doch am erstaunlichsten war der
Schopf von weizenfarbenem Haar auf ihrem Kopf. Yazi bückte sich,
um diese

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