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Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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biss zufrieden in ihr Frühstücksbrot.

    ******

         »Das
ist eine Vase aus der Ming Dynastie«, erklärte Viktorias
Vater und wies auf ein Gefäß aus zartem, fast
durchscheinendem Porzellan, das mit bunten Figuren bemalt war.
         »Und
hier ein moderneres Werk. Die Farben sind etwas anders, heller und
zarter. Doch es ist kein so wesentlicher Wandel feststellbar wie in
der europäischen Kunst. Chinesen glauben an Tradition, an das
Bewahren des Alten, das nur immer mehr verfeinert und leicht
abgeändert wird. Die Unterschiede sind für das ungeübte,
europäische Auge kaum zu erkennen.«
         Viktoria
war erleichtert, denn sie hatte wirklich keine stilistischen
Änderungen an den Vasen und Malereien feststellen können.
Zarte Landschaften, kleine Menschen in fremdartigen, farbenfrohen
Gewändern und manchmal possierliche Tiere taten sich vor ihren
Augen auf. Eine große Buddhastatue aus Jade war die Krönung
der Sammlung. Sie bewunderte die zarte Harmonie der Formen, die
leichte, liebliche Darstellung der Welt. Hässlichkeiten gehörten
offenbar nicht zu den Motiven chinesischer Künstler. Sie sah
sich in dem übervollen Zimmer ihres Vaters um. Die Lithographien
der Werke von Dürer und Caravaggio, seinen alten
Lieblingsmalern, waren wesentlich düsterer, denn sie blendeten
das Brutale, Abgründige nicht aus. Dann vertiefte sie sich in
ein Bild von miteinander kämpfenden Dämonen, das eine der
chinesischen Vasen zierte. Auch deren Gesichter waren nicht unbedingt
freundlich. Vielleicht drückten Chinesen das Unschöne
dieser Welt nur anders aus? Versonnen musterte sie weitere Bilder an
den Wänden, zeitgenössische Originale. Spitzweg, Ludwig
Richter und gar ein Renoir, der größte Stolz ihres Vaters.
Die Motive der Maler waren friedlicher geworden, die Farben heller.
Sie lebten nun in keiner derart brutalen Zeit mehr. Hatte es in China
einen ähnlichen Wandel gegeben?
         »Was
weißt du eigentlich über China? Hat der Angestellte, der
auf deinen Auftrag hin diese Werke sammelte, dir denn etwas
erzählt?«, fragte sie neugierig und sank auf einen Stuhl.
Ihr Vater nahm seine Brille ab, um die Gläser mit einem
Taschentuch zu reinigen. Ohne Brille wirkte sein Gesicht sanft und
jugendlich trotz aller Falten und der verquollenen Augen.
         »Sehr
viel weiß ich nicht. Es hat eine uralte, weise Kultur, die das
Abwenden von irdischem Streben lehrt. Der rote Staub, so heißt
bei ihnen alle Eitelkeit, Reichtum und Macht. Die Beschäftigung
mit Philosophie und Kunst wird sehr geachtet«, erklärte
ihr Vater mit einem erfreuten Lächeln. Vor Viktorias innerem
Auge entstand das Bild von zahlreichen asketischen Gelehrten in
grauen Kutten, deren Nasen in Büchern steckten. Aber ein Volk,
das nur aus weltabgewandten Mönchen bestand, wäre schon
längst ausgestorben.
         »Ich
meine die politische Lage. Und die Wirtschaft. Vielleicht lohnt es
sich ja, Handel mit China zu betreiben.«
         Ihr
wurde bewusst, dass sie nun wie ihre Mutter klang. Ein wenig schämte
sie sich dafür, doch ihr Vater machte ihr keinen Vorwurf.
         »Wir
Deutschen haben bisher nicht sehr viel Kontakt mit China. 1859 wurde
der Diplomat Graf zu Eulenburg von der preußischen Regierung
auf eine Expeditionsreise nach Ostasien geschickt, aber das hatte
kaum Folgen. Erst in den letzten Jahren ist Interesse an
wirtschaftlichen Beziehungen mit China erwacht, wie die Briten sie
schon längst erfolgreich aufgebaut haben«, erklärte
er stattdessen. »Aus China lassen sich Tee und Seide günstig
importieren. Herr Behm hat vorgeschlagen, in dieses Geschäft
einzusteigen, und ich habe zugestimmt. Die erste Lieferung dürfte
demnächst eintreffen. Dann wird auch deine Mutter sich nicht
mehr unnötig aufregen müssen.«
         Er
lehnte sich zufrieden in seinen Sessel zurück.
         »In
zwei Tagen ist übrigens eine große Kunstauktion in
Hamburg. Es werden wieder ein paar französische Impressionisten
angeboten. Würdest du mich begleiten wollen, Kind?«
         Viktoria
nickte voller Freude. Sie hatte ihren Vater in letzter Zeit viel zu
selten gesehen, und es gab für sie nichts Schöneres, als
von seinem Kunstverständnis zu lernen.
         »Natürlich
komme ich mit.«
         Ihr
Vater streichelte kurz über ihren Arm.
         »Schön.
Ich hoffe, als Baronin von Scharpenberg wirst du immer noch meine
Tochter bleiben.«
         »Das
werde ich mit Sicherheit. Und Anton bringe ich auch dazu,

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