Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)
Verbündeten, auf den er gewartet
hatte. Lord Elgin erhielt eine Einladung in elaborierten Versen, die
ignoriert wurde.
Von
Andrew erfuhr Yazi, dass Lord Elgin ein wichtiger Mann war, unterwegs
im Auftrag der britischen Krone. Er sollte mit den Qing verhandeln,
Wiedergutmachungen für Angriffe auf seine Landsleute und die
Zerstörung ihrer Fabriken in China fordern. Mehr erzählte
Andrew nicht, doch verstand Yazi den verschwiegenen Teil seiner
Botschaft. Die Taiping-Rebellen wurden von den westlichen Regierungen
inzwischen nicht mehr für eine ernst zu nehmende Macht gehalten.
Yazi
hoffte immer noch, alles könne sich zum Besseren wandeln. Es gab
genug Vorräte in der Stadt und das Leben lief recht friedlich
weiter, auch wenn innere Konflikte im Königspalast gärten.
Der himmlische König erließ ständig neue
Vorschriften, um ehrgeizige Familienmitglieder unter Kontrolle zu
halten und alle Intrigen gegen seine Person abzuwehren, von denen
viele nur in seinem Kopf zu existieren schienen. Akkurate Ordnung
musste gewahrt werden und jedes laute Geräusch brachte ihn zum
Rasen. Nur wenn er sich zurückzog, um an einer korrekten Fassung
der Bibel zu arbeiten, schien er Frieden zu finden. Es waren viele
Fehler in den Büchern der Europäer, meinte er.
Andrew
lachte laut auf, als sie ihm davon erzählte. Gott und Moses
müssten wohl erst von Hong Xiuquan auf den richtigen Weg
gebracht werden, vor allem, was den Genuss alkoholischer Getränke
und die Unzucht betraf. Yazi schwieg. An ein geeintes himmlisches
Königreich und den großen Frieden zu glauben, wurde immer
schwerer. Nur wenn sie sich mit Andrew heimlich bei den Trümmern
der Porzellanpagode traf, vermochte sie einen Sinn in ihrem Leben zu
sehen.
Das
neue Jahr brachte einen neuen Mann nach Nanjing, den Cousin des
zweiten Gottessohnes namens Hong Rengan. Er wurde mit ungewöhnlicher
Herzlichkeit begrüßt und sogleich in die höchsten
Ämter erhoben. Hong Rengan hatte zu den ersten Anhängern
seines berühmten Verwandten gehört, doch hatte er vor zehn
Jahren vor den kaiserlichen Truppen fliehen müssen und dann
keine Möglichkeit mehr gefunden, durch ihre Blockaden in das
Taiping-Lager zu gelangen. Stattdessen hatte er lange Zeit in
Hongkong verbracht und dort bei westlichen Missionaren den
christlichen Glauben studiert. Ein frischer Wind zog mit ihm in die
Stadt. Er plante den Bau hoher, steinerner Häuser, sprach von
Banken und Fabriken, großen Straßen und Dampfschiffen, so
wie sie in den internationalen Siedlungen zu sehen waren. Hartnäckig
drängte er Hong Xiuquan, sich nicht mehr als Sohn Gottes zu
bezeichnen, denn dies stand nur allein Ye Su zu. Yazi staunte, dass
der größte König der Taiping sich tatsächlich
fügte. In seiner Macht wurde er dadurch nicht eingeschränkt.
Sie ermöglichte Andrew ein Treffen mit Rengan und bemerkte
erleichtert, wie die spöttischen Kommentare ihres Geliebten
danach an Schärfe verloren.
»Dieser
Mann kennt uns, die sich seit Jahrhunderten Christen nennen. Er
sprüht vor Eifer und hat hervorragende Ideen«, meinte
Andrew anerkennend. »Durch ihn kann China vielleicht Anschluss
an die moderne Welt finden.«
Der
Zauber Hong Rengans schien auch andere Lao Wai zu erfassen, denn nun
zogen etliche von ihnen nach Nanjing. Issacher Jacox Roberts, ein
amerikanischer Baptist, bei dem Hong Xiuquan nach dem Erkennen seiner
Berufung einige Monate verbracht hatte, nahm nun eine Stellung als
persönlicher Berater Rengans an. Er wurde wie ein Taiping-König
ausgestattet, erhielt wallende Gewänder aus Seide und einen
prächtigen Drachenhut. Hong Xiuquans großzügiges
Angebot, ihm drei seiner Konkubinen zu überlassen, lehnte er
allerdings entschieden ab. Erstaunlicherweise brachte diese
Geschichte Andrew zum Lachen. Er hätte zu gern das Gesicht des
aufrechten Baptisten gesehen, als ihm drei chinesische Schönheiten
auf dem Silberteller präsentiert wurden, meinte er. Yazi
verstand diesen Spott nicht, aber sie hatte inzwischen begriffen,
dass es Dinge gab, die ihr an einem Europäer wohl immer
unbegreiflich bleiben würden. Sie nahm Andrews Eigenarten hin,
so wie er auch die ihren.
Das
Heer erhielt die Unterstützung des Engländers Augustus
Lindley, der Soldaten den Umgang mit modernen Schusswaffen
beibrachte. Seine Frau Marie verstand sich ebenso hervorragend
darauf, Gewehre abzufeuern, und trainierte an Hong Xuanjiaos Seite
weibliche Krieger. Yazi musterte
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